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Einrichtungsinterne Kooperationsanliegen von Leitungen in inklusiven Settings

| Katja Zehbe |

Kooperationen sind Auftrag und Gelingensbedingung von Kindertageseinrichtungen zugleich. Kindertageseinrichtungen pflegen dabei im Kontext von Inklusion eine Vielzahl von formell und informell eingebetteten Kooperationen mit verschiedenen Kooperationspartner*innen innerhalb und außerhalb der Einrichtung. Als Kooperation wird dabei ein „zielorientiertes und planmäßiges Zusammenwirken verschiedener Akteure, Einrichtungen, Organisationen oder Systeme“ (Jung/Gels 2019, S. 8) verstanden. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wie Kooperationen im pädagogischen Alltag in Kindertageseinrichtungen hausintern planmäßig gestaltet werden und welche Rolle die Leitung der Einrichtung dabei einnimmt.

Was will das Projekt? Was ist das Phänomen?

Die Forschung unterscheidet zwischen Kooperationen im weiteren und im engeren Sinn. I.w.S. von Kooperationen geht es darum, wie Kindertageseinrichtungen mit anderen Bildungseinrichtungen (etwa Grundschule) (u.a. Faust/Wehner/Kratzmann 2010) oder Instanzen in Handlungsfeldern der frühen Förderung (u.a. Seitz/Hamacher 2021) miteinander kooperieren oder im Rahmen von Netzwerkarbeit und Lebensweltorientierung im Sozialraum zusammenarbeiten (u.a. Töpfer/Cloos 2023). Kooperationen i.e.S. beziehen sich auf das Zusammenwirken von Akteur*innen – bspw. die multiprofessionelle Zusammenarbeit in der frühen Bildung (u.a. Cloos/Gerstenberg/Krähnert 2019) oder das planvolle gemeinsame Agieren von Professionellen in der Grundschule (u.a. Urbanek/Quante 2021). So liegen bisher u.a. Erkenntnisse zur multiprofessionellen Zusammenarbeit im Team durch die Analyse von Teamgesprächen (Cloos/Gerstenberg/Krähnert 2019) vor, zu Elterngesprächen (Krähnert/Zehbe/Cloos 2022) und im Rahmen von Organisationsentwicklung (Berliner Institut für Qualitätsentwicklung 2020). Im Bereich der quantitativen Forschung zeigen Ergebnisse die Funktionen und Aufgabenbereiche von multiprofessionellen Teams auf sowie die Anliegen von Teambesprechungen (u.a. Viernickel et al. 2013; Weltzien et al. 2016).

Kindertageseinrichtungen und deren Leitungen stehen dabei im Sinne des Leitungsmanagements vor der Herausforderung, aufgabenbezogen und sachorientiert agieren zu müssen und zugleich ein personenzentriertes System im Sinne des Personalmanagements aufrecht zu erhalten (u.a. Simsa/Patak 2008): So sind Mitarbeitende zum einen ausführende Instanz und weisungsgebunden sowie zugleich kreative Ausgestaltende mit individueller Persönlichkeit. Kindertageseinrichtungen sind damit mit folgender Aufgabe konfrontiert: Im Sinne des Dienstleistungscharakters der familienergänzenden und familienunterstützenden Funktion von Kindertageseinrichtungen gilt es Effizienz der pädagogischen Arbeit zu gewährleisten und zugleich die Mitwirkung und Beteiligung aller Mitarbeitenden zu ermöglichen. Das von der Hochschule Neubrandenburg geförderte Projekt „Kooperative Ausgestaltungsprozesse zwischen Professionellen in der inklusiven Kindertageseinrichtung“ (KAPri-K) (ausführlich: Zehbe 2026, i.Pl.) fragte daher u.a.: Aus welchen Anlässen kooperieren pädagogische Fachkräfte im (Gruppen-)Alltag? Mit dem Begriff des „Anliegens“ werden in Anlehnung an die Arbeiten von Töpfer/Cloos (2022)[1] die (Beweg- und Hinter-)Gründe für die Zusammenarbeit bezeichnet.

Der vorliegende Blogbeitrag fokussiert die Rolle der pädagogischen Leitung einer Kindertageseinrichtung für die einrichtungsinternen Kooperationen von Professionellen im Kontext von Inklusion. Genauer werden die rekonstruierten Anliegen für eine einrichtungsinterne Zusammenarbeit betrachtet, die a) pädagogische Fachkräfte und Leitung gemeinsam bearbeiten und b) welche Themen die Leitung dem Team überlässt.

Wie wurde vorgegangen?

In einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern wurden in integrativen Kindertageseinrichtungen halboffene, leitfadengestützte Interviews mit dem Ziel der Rekonstruktion der Kooperationsanliegen aus zwei verschiedenen Perspektiven erhoben: von der jeweiligen Einrichtungsleitung sowie einer pädagogischen Fachkraft im Gruppendienst[2]. Inspiriert durch die Arbeiten von Dlugosch/Thönnes (2017), Zehbe et al. (2022), Corsten (2007) und Schiffer/Hauck (2007) wurde eine Spiel- und Legevariante für die Interviews (weiter) entwickelt (ausführlich: Zehbe 2026, i.V.). Die Interviews wurden auditiv aufgezeichnet, die Erstellung der Spiel- und Legevariante wurde zusätzlich videografiert. Die entwickelte Spiel- und Legevariante für das Projekt ermöglicht im Anschluss an Dlugosch/Thönnes (2017, S. 244) die bessere Erfassung von Beziehungsdimensionen und Handlungskonstellationen durch die zeitgleiche Visualisierung der hausinternen Kooperationspartner*innen.  

Bei der Auswahl der Einrichtungen spielte eine zentrale Rolle, inwiefern die Kindertageseinrichtungen eine multiprofessionelle Zusammenarbeit im Haus gestalten und wie sie sich selbst in mit Blick auf die Umsetzung von Inklusion und Integration in ihrer Konzeption darstellen, zudem wurden unterschiedliche Trägerschaften berücksichtigt. Weitere Samplekriterien, wie das spezifische Einrichtungssetting (Größe der Einrichtung, pädagogisches Konzept) dienten der zusätzlichen Differenzierung. Die transkribierten Interviews sowie die gelegten Varianten wurden mit der Qualitativen Strukturalen Analyse (QSA) (Herz/Peters/Truschkat 2015) im Anschluss an die Grounded Theory Methodologie ausgewertet.

Was ist das Ergebnis?

Aus den Interviews wird deutlich, dass die Einrichtungsleitung eine verbindende Funktion einnimmt, die neue Schwerpunkte setzen und nachhaltig Veränderungen anstoßen kann, an die sich das Team anpasst. Es geht in der einrichtungsinternen Zusammenarbeit jedoch auch um die Angleichung der pädagogischen Arbeit der unterschiedlichen Mitarbeitenden innerhalb des jeweiligen Hauses. Die Leitung begleitet das Gelingen dieser Anpassungsleistung. Im Folgenden werden die drei rekonstruierten Kooperationsanliegen dargestellt. Mit jedem Kooperationsanliegen innerhalb der Einrichtungen sind jedoch stets auch Spannungsfelder, Ambivalenzen und Herausforderungen verbunden, die über die reine Benennung der Kooperationsanliegen nicht sichtbar werden. Die ausgewählten Sequenzen aus dem empirischen Material sollen hier nur exemplarisch mögliche Umgangsweisen mit diesen Kooperationsanliegen aufzeigen, die Darstellung ist nicht abschließend (ausführlich dann: Zehbe 2026, i.Pl.).

(1) Leitungs- und teamzentriert: Anliegen in dieser Kategorie beziehen sich auf die direkte Zusammenarbeit im Team und mit dem Team und werden von einer Leitungsebene innerhalb der Einrichtung verantwortet. Zugleich können sich die Mitarbeitenden in diesen Anliegen auch an die Leitung wenden. Inwiefern dies die Einrichtungsleitung, eine Kleingruppenleitung oder Teamleitung ist, ist dabei abhängig von der Art und Weise der Personal- und Kommunikationsstrukturen im Haus. Anliegen in Verantwortung der Leitung mit Fokus auf das gesamte Team sind u.a. (1) die Motivation und Begleitung von Veränderungen auf der Ebene der oder des Teams sowie innerhalb der gesamten Einrichtung, (2) das Sichern von Wohlbefinden im Team sowie (3) der Aufbau von Verständnis für Veränderungsprozesse bei den Teammitgliedern. Zugleich sind hier kommunikative Anliegen zur (4) hausinternen Weiterleitung wichtiger Informationen sowie Anliegen mit Fokus der Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung zu finden, ebenso wie im Bereich des Personalmanagement das Auffangen von Personalfluktuation oder disziplinarische Aufgaben.

Eine Leitung beschreibt eindrücklich die Herausforderung wie Verantwortung, das Team sowohl inhaltlich zu begleiten, Wohlbefinden im Team zu unterstützen und zugleich disziplinarische Aufgaben auszuführen: „ich bin gerne meine Teamleitung und ich habe auch mein ganzes Team gerne. Aber nicht jeder im Team ist auch immer so, wie er sich zu verhalten hat, ist auch manchmal sehr respektlos. Und auch da muss ich dann handeln zum Beispiel.“ (E1_L1) Die Leitung bezeichnet sich selbst daher als „Sandwich-Leitung“ und verdeutlicht mit dieser Metapher ihre ambivalente Position im Team, die durch ihre Aufgaben und Anliegen für Team- und Organisationsentwicklung konturiert wird.

(2) leitungsorientiert und personenzentriert: Anliegen in dieser Kategorie beziehen sich auf individuelle Beweggründe der einzelnen pädagogischen Fachkraft, die mit der jeweiligen Leitung abgestimmt werden müssen und deren Votum bedürfen. Dabei steht es jedem Mitarbeitenden zu, die Leitung in eben diesen Anliegen zu kontaktieren. Im Material zeigen sich hier v.a. (1) Absprachen zum Personaleinsatz, (2) Klärung von Finanzierungsbedarfen für den pädagogischen Alltag, Investitionen und Ausstattung der Einrichtung sowie (3) das übergreifende Klären von Fragen und Problemen auf der Ebene einzelner Mitarbeitenden oder des bzw. der Team(s). Je nachdem, wie Personal- und Kommunikationsstrukturen im Haus aufgebaut sind, kann dies ebenfalls die Einrichtungsleitung, Kleinteamleitung oder Gruppenleitung übernehmen.

Eine pädagogische Fachkraft schildert dies wie folgt: „Also prinzipiell soll jeder, der quasi eine Frage hat, persönlich auf sie [Leitung] zukommen, ne? Und das ähm mit ihr (.) besprechen. Meistens ist es aber so, da brauchen wir uns jetzt auch nichts vormachen, das ist ein großes Haus und das geht erstmal wie ein kleines Streufeuer über alle Kollegen bis dann irgendwann einer sagt: So, jetzt geht mal einer hin. Oder es kommt durch den Buschfunk bei ihr an, da brauchen wir uns auch nichts vormachen. Und dann (.) genau.“ (E1_FK1). Sichtbar wird hier, wie personenzentriert mit Anliegen umgegangen wird, die des Votums der Leitung bedürfen.

(3) teamzentriert und personenzentriert: Anliegen dieser Kategorie werden eigenständig innerhalb des Teams ohne Einbezug einer Leitung bearbeitet. Die Leitung erwartet indes, dass eben jene Anliegen zuverlässig vom Team selbst bearbeitet werden. An dieser Stelle wird damit die Zusammenarbeit des Teams bedeutsam. In diese Kategorie fallen im empirischen Material (1) Fragen des Ressourcenmanagements rund um Verwaltungsvorgänge wie bspw. die Antragsstellung für Integrationsstunden o.ä. aber auch (2) die Abstimmung zum Einsatz des Personals innerhalb der Gruppen bei Personalausfall und von Springern sowie (3) die zuverlässige Weitergabe wichtiger Informationen über den Alltag (u.a. Vorkommnisse). Auch (4) die gemeinsame Entscheidungsfindung in ausgewählten Punkten sowie (5) die Dokumentation und (6) Übergangsgestaltung im Sinne des Qualitätsmanagements können dieser Kategorie zugeordnet werden. Die pädagogischen Fachkräfte thematisieren zudem (7) die Möglichkeit des gegenseitigen Austauschs und der Hilfe untereinander.  

Eine Teamleiterin erklärt jedoch auch die Herausforderungen, die mit den Aushandlungs- und Abstimmungsprozessen im Team zusammenhängen: „Mit der Eingewöhnung lief es nicht so wirklich und da haben wir uns dann hingesetzt und gesagt: „So, Leute, das funktioniert so nicht. Wir brauchen jetzt einen Leitfaden und daran müsst ihr euch jetzt halten“, dass sie auch einfach was haben, woran sie sich festhalten können und orientieren können.“ (E2_FK1). Die kurze Passage zeigt, dass teamzentrierte und personenzentrierte Kooperationsanliegen innerhalb der Einrichtung nicht ohne die übergreifende Personal- und Kommunikationsstruktur in der Kindertageseinrichtung gedacht werden kann. Denn letztendlich rahmt diese Struktur, welche Handlungs- und Entscheidungsspielräume für Mitarbeitende (nicht) entstehen können.

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass unterschiedliche Beweg- und Hintergründe für die einrichtungsinterne Zusammenarbeit virulent sind und es für die Zusammenarbeit innerhalb einer Einrichtung genaue Absprachen gibt. Dabei ist von einer hohen Variabilität in den Themen innerhalb der drei aufgezeigten Kategorien sowie den damit verbundenen Modi der Bearbeitung insgesamt auszugehen.

Deutlich wird zudem, dass sich zwei Ebenen in der Gestaltung der Personal- und Kommunikationsstrukturen im Haus im Kontext von Inklusion verzahnen: So stehen die Vorgaben der Leitung, wer wann wo mit wem arbeitet, gestaltet und entscheidet mit den Handlungsweisen der pädagogischen Fachkräfte und Teams in einem engen Zusammenhang. Ersichtlich wird indes jedoch auch deren Begrenzung. Wenn von der Leitung (un)flexible Personal- und Kommunikationswege für die Aushandlung und Besprechung der dargestellten drei Kategorien aufgebaut wurden, so lässt dies jedoch noch keinen Rückschluss auf die Art und Weise zu, wie pädagogische Fachkräfte sich innerhalb dieser vorgegebenen Aufgabenstrukturen bewegen. Für Einrichtungsleitungen und pädagogische Fachkräfte lohnt daher der Blick ins Innere der Organisation und die Art und Weise, wie die weiter oben beschriebenen Anliegen im Kontext von Inklusion innerhalb einer Hierarchie bearbeitet werden und inwiefern diese Aushandlungsprozesse innerhalb des Teams konsensfähig sind und/oder machtvollen Personal- und Kommunikationsstrukturen und -prozessen unterliegen.

Literaturverzeichnis

Berliner Institut für Qualitätsentwicklung (2020) Konzept für die Arbeit in multiprofessionellen Teams. http://beki-qualitaet.de/media/pages/projekte-und-programme/multiprofessionelle-teams/12730cdb18-1626449685/konzept_fr_die_arbeit_in_multiprofessionellen_teams_des_beki_2020_webseite.pdf  (Stand: 14.03.2025).

Cloos, Peter/Gerstenberg, Frauke/Krähnert, Isabell (2019). Kind – Organisation – Feld. Komparative Perspektiven auf kindheitspädagogische Teamgespräche. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

Faust, Gabriele/Wehner, Franziska/Kratzmann, Jens (2010): Zum Stand von Kooperation von Kindergarten und Grundschule. In: Journal for educational research online 3 (2), S. 38–61.

Herz, A., Peters, L. & Truschkat, I. (2015): How to do qualitative strukturale Analyse? Die qualitative Interpretation von Netzwerkkarten und erzählgenerierenden Interviews. In: FQS, 16(1), Art. 9.

Jung, Edita/Gels, Annika (2019): Vernetzung von KiTas im Sozialraum und darüber hinaus. Osnabrück: nifbe Niedersächsisches Institut für Frühkindliche Bildung und Entwicklung (Nifbe-Beiträge zur Professionalisierung, Nr. 10).

Krähnert, Isabell/Zehbe, Katja/Cloos, Peter (2022): Polyvalenz und Vulnerabilität. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

Nachtigall, Clarissa; Stadler, Katharina; Fuchs-Rechlin, Kirsten (2021): Berufliche Wege in der Kita: Einstiege – Ausstiege – Aufstiege. Eine Interviewstudie mit frühpädagogischen Fachkräften. Eine Studie der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). München: DJI.

Seitz, Simone/Hamacher, Catalina (2022): Wie Partizipation in das Gegenteil umschlagen kann – Inklusive Frühe Bildung und die machtvollen Dynamiken der Pathologisierung. In: ZfG 15 (1), S. 47–62.

Simsa, Ruth/Patak, Michael (2008): Leadership in Non-Profit-Organisationen. Wien.

Töpfer, Tom/Cloos, Peter (2023): Kindertageseinrichtungen als sozialräumlich vernetzte und vernetzende Akteure? In: Schelle, Regine/Blatter, Kristine/Michl, Stefan/Kalicki, Bernhard (Hrsg.): Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

Urbanek, Claudia; Quante, Alina (2021): Kooperation im inklusiven Unterricht – Co-Teaching. In: Astrid Rank, Anne Frey und Meike Munser-Kiefer (Hrsg.): Professionalisierung für ein inklusives Schulsystem. Ein Handbuch für die LehrerInnenbildung. Bad Heilbrunn: UTB; Klinkhardt, S. 144–162.

Viernickel, Susanne; Nentwig-Gesemann, Iris; Nicolai, Katharina; Schwarz, Stefanie; Zenker, Luise (2013): Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung – Bildungsaufgaben, Zeitkontingente und strukturelle Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen. Forschungsbericht. Berlin: Der Paritätische Gesamtverb.

Weltzien, Dörte; Fröhlich-Gildhoff, Klaus; Strohmer, Janina; Reutter, Annegret; Tinius, Claudia (2016): Multiprofessionelle Teams in Kindertageseinrichtungen. Evaluation der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit von multiprofessionell besetzten Teams in Baden-Württemberg. 1. Auflage. Weinheim: Beltz Juventa.

Zehbe, Katja (2026, i.Pl.): Netzwerke um Kinder. Normalität und Behinderung jenseits von diagnostischen Zuschreibungen. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 21(2).


[1] In Abgrenzung zu der besagten Studie von Töpfer und Cloos geht es jedoch nicht um das Handeln in institutionellen professionellen Netzwerken, sondern um das Arbeiten in Kooperationsbeziehungen.

[2] Aufgrund der wachsenden Aufgaben, der Zunahme multiprofessioneller Teams und komplexer werdenden Trägerstrukturen (Fuchs-Rechlin et al. 2020) muss davon ausgegangen werden, dass Kindertageseinrichtungen auch in ihren inneren Strukturen und Abläufen sich verändern (Nachtigall et al. 2021). Aus diesem Grund wurde in dieser Studie die administrative Steuerung durch die Einrichtungsleitung über Personaleinsatz und Konzept(ions)arbeit von der situativen Steuerung durch pädagogische Fachkräfte im pädagogischen Alltag unterschieden.

Bildungsmedien und Inklusion

| Carolin Bätge |

Was will das Projekt? Was ist das Phänomen?

Mediale Repräsentationen gesellschaftlicher Vielfalt erstrecken sich von Serien- und Filmproduktionen für Kinder und Jugendliche, über digitale und analoge Spiele, bis hin zu schriftlichen Erzeugnissen. Zu letzteren sind nicht nur belletristische Bücher, sondern auch Bildungsmedien zu zählen. Bildungsmedien als ein Produkt gesellschaftlich ausgehandelten, „tradierenswerten“ Wissens vermitteln v.a. in den sog. sinnstiftenden Fächern (v.a. Ethik und Religion, Politik und Sozialkunde sowie Geschichte bzw. ihre bundeslandspezifischen Äquivalente) der jeweils nächsten Generation neben Sach- und Methodenkenntnissen auch Werte. Kurz zusammengefasst bedeutet dies: „Das Schulbuch ist Produkt und […] Produzent von Einstellungen und Verhaltensweisen einer Bevölkerung. Diese ,Mentalitätʼ ist politisch von hoher Bedeutung.“ (Schallenberger 1973). Insbesondere Aussagen bspw. im Rahmen von Thematisierungen zu gesellschaftlich relevanten Themen sind von besonderer Bedeutung. Sie bieten nicht nur Sachwissen dar, sondern ihnen sind – analog zu Kinderbüchern – vielmehr Anknüpfungspunkte für die eigene Identifikation und Repräsentation (bspw. der eigenen Familienform, Herkunft oder Beeinträchtigung) inhärent (vgl. Schorb 2014; Fleischer 2014). Das Schulbuch als Bildungsmedium – analog wie digital – ist das am intensivsten genutzte Lernmedium im Unterricht (Hintermann et al. 2014), Seismograf der Gesellschaft und Bestandteil des öffentlichen Diskurses (Höpken 2003, Bätge 2023). Dabei ist es für nicht wenige Kinder das einzige Buch, mit dem sie in Kontakt kommen (Teistler 2003). Das Schulbuch unterliegt zudem der „Autoritätsgläubigkeit“ (Tatje 2017) bzw. einem Nimbus der unfehlbaren Wahrheit (u.a. Lässig 2010), woraus Aussagen resultieren, dass das, was im Schulbuch steht, auch stimmen müsse.

Daher ist es umso wichtiger, auf eine angemessene Darstellung gesellschaftlicher Vielfalt zu achten. Neben dem bekannten Paragrafen 24 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nation zur inklusiven Bildung ist für den Schulkontext auch Paragraf 8 zur Bewusstseinsbildung insofern relevant, als dass dort ein Recht auf angemessene Darstellung in den Medien erstmalig festgehalten und somit die Bewusstseinsbildung der Bevölkerung betont wurde:

„(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um in der gesamten Gesellschaft […] das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern; Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich aufgrund des Geschlechts oder des Alters, in allen Lebensbereichen zu bekämpfen; das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen zu fördern. (2) Zu den diesbezüglichen Maßnahmen gehören: […] die Aufforderung an alle Medienorgane, Menschen mit Behinderungen in einer dem Zweck dieses Übereinkommens entsprechenden Weise darzustellen […].“

Das hier vorgestellte Forschungsprojekt will vor dem Hintergrund der inklusiven Bildung die Darstellungen von Menschen mit Beeinträchtigung und Inklusion in deutschen Sozialkundebüchern untersuchen und hierbei ein besonderes Augenmerk auf die dargebotenen Narrative legen. Es ging dabei u.a. um die Prüfung folgender Thesen:

(1) Die vom Schulbuch transportierten Bilder und Narrative zu Menschen mit Beeinträchtigung haben sich seit 2010 verändert und thematisieren zunehmend auch integrative respektive inklusive Aspekte.

(2) Das in den Unterrichtswerken vermittelte Menschenbild wird korrigiert, wenn sich der Blickwinkel auf Menschen mit Beeinträchtigung und Inklusion verändert (Bätge 2023).

Wie bin ich vorgegangen?

Als theoretische Grundlage diente eine Triangulation der erziehungswissenschaftlichen Zugänge der Diversity Education bzw. Pädagogik der Vielfalt mit ihren zentralen Prämissen der Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt, mit den Bezugspunkten der Diskurstheorie nach Foucault und Jäger (2015) sowie den Disability Studies in Education. Folglich bildeten die Grundlage des theoretischen Zugangs die reflektierende Kategorisierung von Menschen unter dem Begriff der egalitären Differenz, der Eingebundenheit von Akteur*innen und Aussagen im Diskurs, der konstituierende Macht hat, mit Blick auf die Wirkmacht von Sprache, sowie dem disziplinären Zugang der Disability Studies als Advocat*in Veranderter. Zentrale Aspekte sind in dem interdisziplinären Ansatz der Disability Studies neben der Selbstrepräsentation und die Einbindung von Erfahrungswissen von Forscher*innen mit Beeinträchtigungen u.a. auch eine machtkritische Analyse von Wissensordnungen, die sich auch Diskursfragmenten wie Schulbüchern manifestieren können. Swantje Köbsell (2015, S. o.S.) beschreibt mit Bezug auf Schule die Rolle dieser Disziplin:

„Schule als wichtige Sozialisierungsinstanz und zentraler gesellschaftlicher Ort kann zur Veränderung von z. B. ableistischen Sicht- und Verhaltensweisen beitragen, wenn die scheinbare Naturhaftigkeit von Behinderung ebenso wie Normalitätskonstruktionen hinterfragt, Ableism entlarvt und Umgangsweisen entsprechend verändert werden. (…) Die Konstruktion von Nicht-/Behinderung im Bildungssystem müsste ebenso zum Thema gemacht werden wie die Fragen danach, wie Behinderung und Ableism von den Betroffenen erlebt werden (…).“

Die Kombination aus dem Schulbezug und den Disability Studies wird als Disability Studies in Education bezeichnet.

Durch eine qualitative und quantitative Inhaltsanalyse (Häufigkeitsanalyse nach Mayring 2015 der Lehrpläne der sinnstiftenden Fächer für alle Bundesländer und Bildungslevels konnten Rückschlüsse für das zu analysierende Sample der Schulbücher gewonnen werden. Aufgrund der Häufigkeit des Vorkommens des Themenfeldes Behinderung und Inklusion in den einzelnen Bundesländern, Schulformen, Jahrgängen und Fächern sowie aufgrund der induktiv gebildeten Cluster erfolgte eine Auswahl entsprechender Schulbücher des Faches Politik/Sozialkunde der Sekundarstufe I aller Schulformen der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Von zentraler Bedeutung war neben der quantitativen Ausprägung der Cluster in diesen Zuschnitt des Samples auch das Vorkommen der Cluster, die thematisch dem Erkenntnisinteresse am ehesten entsprochen haben (Lebenssituation, Diskriminierung und Toleranz, Differenz und Leid). Insgesamt wurden somit die thematisch passenden Seiten und Kapitel aus 58 Politikschulbüchern, die im Schuljahr 2017/18 verwendet wurden, eines diskursanalytischen Vorgehens (nach Jäger und Höhne 2004 unterzogen. Die Erscheinungsjahre erstreckten sich von 2003 bis 2017; 7 Schulbücher aus diesem Sample waren als differenzierende Ausgaben konzipiert. Es wurden alle Schulbuchverlagshäuser berücksichtigt. Ziel war es, wiederkehrende, sog. diskurstypische Merkmale hinsichtlich didaktischer Vermittlung und inhaltlicher Aussagen herauszufiltern, um so Aussagen u.a. bzgl. des in den Büchern vermittelten Gesellschaftsverständnisses und Menschenbildes generieren zu können.

Was ist das Ergebnis?

Zunächst lassen sich die Schulbücher entlang ihrer Entstehungskontexte und Darstellungstypik in drei historisch voneinander abgrenzbare Phasen einteilen: Die erste Phase enthält die Bücher der Erscheinungsjahre 2003 bis etwa 2010, die zweite große Phase erstreckt sich von 2012 bis 2017. Die UN-BRK kann sowohl zeitlich als auch konzeptionell als einschneidendes diskursives Ereignis für die Darstellung in den Bildungsmedien bezeichnet werden. Beide Gruppen sind etwa gleich stark (n=24/25). Zwischen diesen beiden Phasen lassen sich zwei Bücher, die in 2010/11 erschienen sind, als „Brückenbücher“ bezeichnen. Sie weisen Merkmale beider Phasen auf und stellen somit eine kurze Übergangsphase dar. Im Folgenden wird jedoch ausschließlich auf die Phasen 1 und 2 eingegangen.

Die Schulbücher der Phase 1 nutzen zur Vermittlung der zumeist umfangreichen Darstellungen v.a. Autor*innentexte und Abbildungen wie Fotografien, Grafiken und Illustrationen und gehen auf den Themenkomplex häufig in ganzen Kapiteln ein, die nach „Behinderungsarten“ gegliedert sind. Weitere Kontextualisierungen sind „Lebenssituationen anderer“
(die Ausgaben des) Sozialstaat(es), Minderheiten [Anm.: gemeint sind u.a. Arbeits- und Wohnungslose] und Kinderrechte.

Dabei stellen sie ausnahmslos eine exkludierende Gesellschaft und Segregation (bspw. im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt) dar. Dabei wird die Beschulung auf einer Förderschule als logische Konsequenz einer Beeinträchtigung argumentiert und sogenannte „Behinderte“ als homogene, hilfsbedürftige Randgruppe beschrieben. Den Ausführungen dieser Phase liegt das medizinische Modell von Behinderung zugrunde, welches Beeinträchtigung als zu heilende Erkrankung und Makel versteht und darüber hinaus die Anpassungsleistung für die Teilhabe an Gesellschaft beim Individuum selbst sieht. Diese Bücher nutzen daher oft einen emotionalisierenden Sprachduktus und Termini wie „Augenschaden“ oder „hörgeschädigt“ und legen ihren Fokus auf das (zugeschriebene) Leid und Tätigkeiten, die Menschen mit Beeinträchtigungen (angeblich) nicht können. Schlussendlich entstehen die Narrative   der passiven, hilfsbedürftigen Erwerbslosen und der vom Schicksal und Leid Gebeutelten. Die Darstellungen fußen auf ein Denken in binären Ordnungen („behindert“ und „nicht behindert“) und betreibt stets ein Othering, das dieser Binarität Menschen ohne Beeinträchtigung eine Höherwertigkeit zuschreibt. Grundsätzlich sind die Ausführungen dieser Phase von Ableismus geprägt. Inklusion bzw. eine Einzelintegration oder aber authentische Quellen, in denen Menschen mit Beeinträchtigung selbst zu Wort kommen, finden keine Erwähnung.

Phase 2 hingegen wird argumentativ und terminologisch von einer neuen Sachlichkeit mit differenzierten Aussagen, Biografiearbeit mittels Interviews mit beeinträchtigten Personen, Karikaturen und dem sozialen Modell von Behinderung geprägt, in welchem die Anpassungsleistungen auf Seiten der Gesellschaft liegen und Beeinträchtigungen nicht mehr therapiert werden müssen. Dabei berücksichtigen die Bildungsmedien gesellschaftliche Vorbehalte und stellen diese zur Diskussion, Multiperspektivität und Kontroversität – wie vom Beutelsbacher Konsens seit langem gefordert. Menschen mit Beeinträchtigung erscheinen als mündige, aktive Bürger*innen, die zuvor vorherrschenden „Arten von Behinderung“ werden  zugunsten der Thematisierung einer inklusiven Schule und Gesellschaft verdrängt und es erfolgt z.T. eine Abkehr von Dichotomien in den Darstellungen und Argumentationen.

Dieser Wandel in den Darstellungen nach 2010/11 zeigt sich folglich auf den Ebenen der Didaktik anhand der eingebundenen Materialien und des verfolgten Vermittlungsansatzes, der Themenfokussierung mit einer Abkehr von Beeinträchtigungsarten und einer Hinwendung zur Inklusion, der Bilder, was eine Verdichtung auf das Down-Syndrom und den Rollstuhl einschließt, sowie auf der Ebene der Narrative und damit einhergehenden Aussagen zum Menschenbild und Gesellschaftsverständnis.  Letztere wird durch die Ablösung des Narrativs der hilflosen, passiven und leidendenden Anderen durch das der mündigen und aktiven Gleichgestellten in einer inklusiven Gesellschaft offenbar. Das die Schulbuchseiten prägende Wissen entwickelte sich vom Blick auf Menschen mit Beeinträchtigung durch die Brille Privilegierter hin zur Einbindung marginalisierter Perspektiven, woran sich die Disability Studies in Education erkennen lassen.

Die unhinterfragte Segregation mit integrativen Beispielen verändert sich zur inklusiven Gesellschaft, in der Vielfalt den „Normalfall“ darstellt und Anerkennung erfährt. Zudem konnte die UN-BRK sowohl zeitlich als auch aufgrund des dahinterstehenden theoretischen Zugangs des sozialen Modells als die Rahmenvorgabe für Schulbuchdarstellungen ausgemacht werden.

Ein Wandel dieser Tragweite in wenigen Jahren ist in (Bildungs-)Medien eher unüblich und zeigt, dass diskursive Einflüsse aus dem gesamtgesellschaftlichen Diskurs und politische Vorgaben wie die UN-BRK mehr Einfluss auf die Konzeption der Bildungsmedien haben können als die bislang maßgeblich relevanten Lehrpläne, die, obwohl auch für Phase 2 noch gültig, nur als Vorgabe für die Schulbücher der Phase 1 genutzt worden sind.[1]

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Die wesentliche Frage liegt hier, wie auch bei anderen Vielfaltsdimensionen, wie sie thematisiert werden. Wenn eine explizite Thematisierung im Lehrplan vorgegeben ist, ist an manchen Stellen noch offengehalten, über welche Materialien und Quellen und mit welchen Termini gearbeitet wird. Die neue Generation der Sozialkundebücher macht es Lehrkräften deutlich leichter, mit diesen Bildungsmedien zu unterrichten. In Ihnen finden sich kaum ableistische Darstellungen und sie legen Wert auf das Einbinden marginalisierter Perspektiven, was u.a. von Vertreter*innen der Disability Studies gefordert wird („Nichts über uns ohne uns!“). Es stellt sich nun die Frage, wie die neuste Generation der Lehrpläne den Themenkomplex Behinderung und Inklusion aufgreift; möglicherweise wird Behinderung dort ebenfalls als Thema zurückgedrängt und stattdessen der Fokus auf Inklusion gelegt, wie es in den Schulbüchern der Phase 2 der Fall ist. Es bleibt offen, wie sich dieser thematische Wandel in den Klassen gegen Othering, Fremdkategorisieren und Ableism auswirkt, wenn Personen zwar nicht mehr auf eine Eigenschaft ihrer ganzen Persönlichkeit reduziert werden, es aber auch keinerlei Informationen mehr zu ihrer Beeinträchtigung gibt. Lehrkräfte sollten sich also die Frage stellen, ob bzw. inwiefern das Wissen um Behinderung und Beeinträchtigungen für das Lernziel relevant ist. Wie bei jedem anderen gesellschaftlichen Vielfaltsthema auch gilt es für Fach- und Lehrkräfte, diversitätssensibel und diversitätsreflexiv zu agieren. Dies setzt bestimmte Kompetenzen – wie das Wissen um Stereotype, Vorurteile und Ismen – voraus (Möhlen et al. 2024), die es im Studium zu erwerben gilt. Doch auch die Bücher der zweiten Phase weisen noch weiteres Potenzial auf: Denn um wirklich inklusiv unterrichten und den bildungspolitischen Vorgaben der inklusiven Bildung nachkommen zu können, braucht es mehr: sprachliche und didaktische Differenzierung, um so unterschiedlichen Lernausgangslagen und Sprachniveaus Rechnung zu tragen. Es stellt sich also weiterhin für Forschung als auch für Lehre die Frage: Wie inklusiv sind die angebotenen Materialien wirklich?

Literaturverweise

Bätge, C. (2023). Hilfsbedürftig oder selbstbestimmt?Darstellungen von Menschen mit Beeinträchtigung und Inklusion im Schulbuch. Bildungsforschung Band 18. Bielefeld: transcript. URL: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6717-2/hilfsbeduerftig-oder-selbstbestimmt/?c=310000016

Bätge, C. & Gorr, N. (i.V.). Diversitätssensibilität in Ausbildung und Praxis. Theoretische Grundlagen und empirische Impulse. In: S. Garbade & P. Cloos (Hrsg.), Diversität, Materialien, Kindheit. Theoretische und empirische Perspektiven. Beltz Juventa.

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Bredel, U. & Maaß, C. (2016a). Leichte Sprache. Theoretische Grundlagen. Orientierung für die Praxis. Dudenverlag.

Bredel, U. & Maaß, C. (2016b). Ratgeber Leichte Sprache. Frank & Timme.

Fleischer, S. (2014). Medien in der Frühen Kindheit. In: A. Tillmann, S. Fleischer & K. Hugger (Hrsg.), Handbuch Kinder und Medien (303-311). Springer VS.

Hintermann, C./Markom, C. et al. (2014). Debating Migration in Textbooks and Classrooms in Austria. In Journal of educational media, memory, and society (6, 1, S. 79-106)

Höhne, T. (2003). Schulbuchwissen. Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuches. In: F.  Radtke (Hrsg.), Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissenschaft. Reihe Monographien.

Höhne, T. (2004). Die Thematische Diskursanalyse – dargestellt am Beispiel von Schul-büchern. In: R. Keller/A. Hirseland/W. Schneider, Werner & W. Viehöver (Hrsg.), Handbuch sozialwissenschaftliche Diskursanalysen (389-419). Band 2: Forschungspraxis. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS.

Höpken, W. (2003). Warum und zu welchem Zwecke betreibt man Schulbuchforschung? Fragestellungen, Methodenprobleme und Perspektiven der Schulbuchforschung in der Bundesrepublik Deutschland. In The Asia Foundation/Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Sharing the burden of the past (10 – 18).

Jäger, S. (2015). Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Münster: Unrast.

Köbsell, S. (2015). Disability Studies in Education. In Zeitschrift für Inklusion. https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/275

Lässig, S. (2010). Wer definiert relevantes Wissen? Schulbücher und ihr gesellschaftlicher Kontext. In: E. Fuchs, J. Kahlert & U. Sandfuchs (Hrsg.), Schulbuch konkret. Kontexte – Produktion – Unterricht. Julius Klinkhardt (199–215).

Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim/Basel: Beltz.

Möhlen, L.-K., von Dapper-Saalfels, T. & Bätge, C. (2024). Multiprofessionelle Kompetenzen für eine inklusionsorientierte Professionalisierung im Studium des allgemeinen Lehramts – Perspektiven aus Niedersachsen. In QfI – Qualifizierung für Inklusion, 3(1), doi: 10.21248/QfI.ID 

Schorb, B. (2014). Identität und Medien. In A. Tillmann, S. Fleischer & K. Hugger (Hrsg.), Handbuch Kinder und Medien (171-180). Springer VS.

Schallenberger, E. (Hrsg.) (1973). Das Schulbuch. Produkt und Faktor gesellschaftlicher Prozesse. Henn.

Tatje, C. (2017). Die Rolle des Schulbuchs bei der Vermittlung der Europäischen Union. Nutzung und Wirkung im politischen Fachunterricht. Springer VS.

Teistler, G. (2003). Geschichte im Schulbuch – Geschichte des Schulbuchs. Die Bibliothek des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung. In Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (Hrsg.), Aufstand vs. Putsch. Der 17. Juni in Jugendpresse und Schulbüchern. Katalog zur Ausstellung (45-49). DOI: 10.25656/01:4077

Vielstädte, T. (2023). „Alle behindert!“ Zur Konstruktion von Behinderung im Kinderbuch. In: E. Schulze (Hrsg.), Diversität im Kindebruch. Wie Vielfalt (nicht) vermittelt wird (88-101).W. Kohlhammer.


[1] Eine tiefergehende Analyse und breitere Darstellung der Ergebnisse kann der Publikation „Hilfsbedürftig oder selbstbestimmt“ von Carolin Bätge (2023) entnommen werden.

Vielfalt als Ressource oder Benachteiligung? Was Erzieher*innen an berufsbildenden Schulen über Differenz lernen sollen

| Sandra Landhäußer und Melanie Kuhn |

Spätestens seit den Debatten um die PISA-Studien in den 2000er Jahren stellt Differenz im Bereich der frühkindlichen Bildung erneut ein zentrales Thema des Fachdiskurses dar. An Kindertagesbetreuung wird die Erwartung gestellt, mit einem quantitativ ausgebauten und qualitativ hochwertigen Angebot einen Beitrag zum Abbau von Bildungsungleichheiten zu leisten. Ein professioneller Umgang mit Differenz und die Förderung und Gewährleistung von Inklusion stellen mittlerweile zentrale Anforderungen an elementarpädagogische Fachkräfte dar, entsprechend breit sind diese Themen nicht nur in den Bildungsplänen der einzelnen Bundesländer für die Kindertagesbetreuung verortet (Meyer, 2017), sondern stellen auch in der Ausbildung (früh)pädagogischer Fachkräfte einen bedeutenden Professionalisierungsbereich dar. Zukünftige Erzieher*innen sollen in ihrer fachschulischen Ausbildung dazu befähigt werden, „Inklusion im Sinne des Verstehens von Verschiedenheit (Heterogenität) als Selbstverständlichkeit und Chance“ zu realisieren, wobei Inklusion „zahlreiche Dimensionen von Heterogenität“ berücksichtige (KMK, 2017, S. 4).

Was will das Projekt?

Doch es stellt sich die Frage, wie angehende Fachkräfte für diese Anforderung qualifiziert werden? In früheren Lehrplänen der Erzieher*innenausbildung wurde Differenz und Inklusion kaum eine systematische Bedeutung zugemessen. Ausgehend von einer Analyse des bundesweiten „kompetenzorientierten Qualifikationsprofil[s] für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen/Fachakademien“ (2012) und des Länderübergreifenden Lehrplans (LAOG 2012) stellt Ute Eggers (2015, S. 98) jedoch fest, dass der curricularen Verankerung diversitäts- und inklusionsorientierter Perspektiven in die länderspezifischen Lehrpläne mittlerweile der Weg geebnet sei. Hier schließt das vorliegende Projekt an und rekonstruiert die Thematisierungsweisen von Differenz in den aktuellen Curricula der 16 Bundesländer zur fachschulischen Erzieher*innenausbildung und in qualitativen Expert*inneninterviews mit Lehr- und Leitungskräften von berufsbildenden Schulen.

Wie sind wir vorgegangen?

Differenzlinien wie Geschlecht, Klasse, Rasse oder Behinderung beeinflussen die Lebensverhältnisse und -chancen von Menschen entscheidend; sie sind ungleichheits- und diskriminierungsrelevant. Leitend ist für uns die konstruktivistische Annahme, dass diese Differenzlinien keine natürlichen Eigenschaften von Menschen sind, sondern sozial konstruierte, also gesellschaftlich produzierte Phänomene. Unter dieser Auffassung haben wir analysiert, wie Differenz in der schulischen Ausbildung von Erzieher*innen hergestellt wird. Die Lehrpläne begreifen wir dabei als Rahmungen der Unterrichtspraxis, die Vorgaben dazu machen, wie die differenzbezogene Professionalisierung zukünftiger Erzieher*innen erfolgen soll. Die von uns geführten Expert*inneninterviews dokumentieren dabei ein Sprechen über die Unterrichtspraxis derjenigen, die angehende Erzieher*innen unterrichten. In diesen lässt sich analysieren, welche Perspektiven Lehr- und Leitungskräfte auf die eigene Unterrichts- und Leitungspraxis einnehmen und wie sie diese legitimieren.

Orientiert am Forschungsprogramm der Grounded Theory (Strübing, 2021) haben wir die gesamten (bislang sieben) Interviews codiert. Bei den Dokumentenanalysen der umfangreichen Lehrpläne sind wir selektiver vorgegangen und haben nur die diejenigen Textstellen, in denen Differenz in irgendeiner Form zum Thema wird, codiert. Daraufhin wurden alle Interviewsequenzen und alle Textstellen aus den Lehrplänen mit Bezug zum Thema Differenz einer sequenziellen Feinanalyse unterzogen. Das bedeutet, dass das Datenmaterial kleinschrittig Zeile für Zeile auf Ebene der einzelnen Textstelle interpretiert wird. Mit Bezug auf weitere Prinzipien der Grounded Theory wie dem Vergleichen von Materialstellen im Hinblick auf Ähnlichkeiten und Unterschiede oder dem Dimensionalisieren, mit dem Ausprägungen eines Phänomens systematisiert werden, haben wir Muster und Regelmäßigkeiten der Thematisierung von Differenz über unterschiedliche Textstellen hinweg analytisch bestimmt.

Was ist das Ergebnis?

Verortung von Differenz und Inklusion im Lehrplan

In der beruflichen Bildung wurde 1996 die Lernfeldorientierung eingeführt. Ziel war es, den berufsschulischen Unterricht nicht mehr an Unterrichtsfächern, sondern stärker an beruflichen Handlungsanforderungen auszurichten. In diesem Zusammenhang wurden länderübergreifend zusammengesetzte Rahmenlehrplankommissionen beauftragt, lernfeldorientierte Rahmenlehrpläne zu entwickeln (Tramm & Naeve-Stoß, 2020). Für die Ausbildung von Erzieher*innen liegt ein länderübergreifender Lehrplan aus dem Jahre 2012 (LOAG, 2012) und ein „Rahmenlehrplan für die Fachschule für Sozialpädagogik“ (KMK, 2020) vor, welche die Basis für länderspezifische Konkretisierungen bieten. Mittlerweise beziehen sich fünfzehn Bundesländer (außer Baden-Württemberg) auf diese länderübergreifenden Vorgaben.

Im Hinblick auf Differenz verfügt der länderübergreifende Lehrplan wie auch der Rahmenlehrplan zum einen über ein dezidiert differenzbezogenes Lernfeld mit dem Titel „Lebenswelten und Diversität wahrnehmen, verstehen und Inklusion fördern“ (LOAG 2012, S. 18; KMK 2020, S. 30ff.) und weist zum anderen „Inklusion“ (LOAG 2012, S. 4; KMK 2020, S. 4f.) als eine von sechs Querschnittsaufgaben aus. Diese doppelte curriculare Verortung von differenzbezogenen Inhalten als Querschnittsaufgabe und eigenständigem Lernfeld übernehmen nicht alle der fünfzehn an länderübergreifenden Vorgaben orientierten Bundesländer. Während vierzehn dieser Bundesländer Inklusion als Querschnittsaufgabe konzeptualisieren, formuliert Thüringen, in seinem länderspezifischen Curriculum keinerlei Querschnittsaufgaben. Elf dieser fünfzehn Bundesländer (BY, BE, BB, HE, NI, NW, RP, SL, SH, ST, TH)[1] übernehmen ein Lernfeld, in dem Diversität und Inklusion im Zentrum stehen. Bremen kennzeichnet ein entsprechendes Lernfeld etwas abweichend mit der Bezeichnung „Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im gesellschaftlichen Kontext verstehen, alltagsintegrierte Sprachbildung und Sprachförderung im Elementarbereich fördern“. Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hingegen verzichten auf die Ausweisung eines solchen Lernfeldes, definieren aber ‚Inklusion‘ als Querschnittsaufgabe. Hamburg und Sachsen thematisieren in allen ihren Lernfeldern unter der Querschnittsidee differenzbezogene Aspekte, leisten das aber in jeweils einem Lernfeld deutlich ausführlicher als in den anderen. Somit zeigt sich hier, dass die „Übersetzung“ von Dokumenten in „andere Kontexte“ (Nadai, 2012, S. 157) – von länderübergreifenden Vorgaben zu den länderspezifischen Lehrplänen – zu erheblichen Transformationen führt. Das einzige nicht an den länderübergreifenden Vorgaben ausgerichtete Bundesland, Baden-Württemberg, weist auch eine doppelte curriculare Verankerung auf: Es formuliert ein differenzbezogenes Lernfeld mit dem Titel „Unterschiedlichkeit und Vielfalt leben“ (S. 5) und legt die „Gender-Thematik“ und damit eine einzelne Differenzlinie als ein Querschnittsthema aus (S. 4).

Mit Blick auf die curriculare Verankerung lässt sich festhalten, dass mittlerweile in allen 16 Lehrplänen auf Ebene der Inhalte, Lernziele oder der von Schüler*innen zu erreichenden Kompetenzen auf Differenz Bezug genommen wird. Doch welche Differenzlinien werden dabei wie aufgerufen?

Im Lehrplan thematisierte Differenzlinien

Indem sich die an länderübergreifenden Vorgaben ausgerichteten Lehrpläne auf das Konzept der Inklusion beziehen, das konzeptuell gerade die möglichst simultane Berücksichtigung unterschiedlicher Differenzlinien nahelegt, werden hier viele Differenzkategorien in der Logik einer Aneinanderreihung aufgegriffen. Dies zeigt sich exemplarisch an der von den meisten Bundesländern im Wortlaut entnommenen Formulierung aus den länderübergreifenden Vorgaben: „Inklusion berücksichtigt zahlreiche Dimensionen von Heterogenität: geistige oder körperliche Möglichkeiten und Einschränkungen, soziale Herkunft, Geschlechterrollen, kulturelle, sprachliche und ethnische Hintergründe, sexuelle Orientierung, politische oder religiöse Überzeugung“ (LOAG 2012, S. 4; KMK 2020, S. 4f.). Über den Verweis auf die „zahlreiche[n] Dimensionen von Heterogenität“ (ebd.) wird der Fokus auf Differenz in gewisser Hinsicht vervielfältigt.

Auffallend ist an dieser Vervielfältigung, dass sich die adressierten Phänomene nicht alle den ‚klassischen‘ Differenzkategorien race (Kultur, Ethnizität, Religion, Sprache), class (soziale Herkunft), gender (Geschlechterrollen, sexuelle Orientierung) und dis/ability (geistige und körperliche Möglichkeiten) zuordnen lassen, sondern dass über den Verweis auf politische Orientierung auch Einstellungen und Haltungen aufgerufen werden, die es zu berücksichtigen gelte. Dass in der Reihung die geistigen und körperlichen Möglichkeiten der Adressat*innen zuerst genannt sind, deutet darauf hin, dass die Ausrichtung auf eine „gesunde Normalentwicklung“ – ähnlich zu früheren Lehrplänen – auch in den aktuellen Curricula noch als eine übergeordnete Referenzfolie fungiert (Haude & Volk, 2015, 192).

Benachteiligung und Ungleichheit – nur zum Teil ein Thema in Lehrplänen und Unterricht

Da die Mehrheit der Bundesländer die Formulierung von Inklusion als Querschnittsaufgabe aus den länderübergreifenden Vorgaben übernehmen, taucht die Differenzlinie class (als soziale Herkunft) als ein Aspekt von Inklusion auch in den meisten länderspezifischen Lehrplänen auf. Die Länder thematisieren diese unter unterschiedlichen Begrifflichkeiten, wie z.B. soziale Herkunft, soziale Problemlagen, soziale Kontexte oder materielle Bedingungen. Deutliche Unterschiede zeigen sich dabei darin, wie class aufgegriffen wird. Geht es bisweilen auch um den „Einfluss von sozioökonomischen […] Bedingungen auf die Lebenswelt“ von Adressat*innen (KMK 2020, S. 30; ST, S. 12; auch BB; BE; BY; BW; HB; HH; HE; NW; SH), thematisieren lediglich acht der sechzehn Bundesländer class auch bezogen auf Fragen von Armut und/oder sozialer Ungleichheit (BW, S. 5; BY, S. 63; HB, S. 21; HH, S. 45; MV, S. 16; NI, S. 23; SN, S. 1; SL, S. 98); wenn etwa formuliert wird, dass Schüler*innen über „Wissen zu sozialer Ungleichheit, insbesondere den Auswirkungen von Armut auf die Entwicklung, Lebens- und Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen und deren gesellschaftlicher Teilhabe“ verfügen (HH, S. 45) oder „ihren Blick für soziale Ungleichheit, benachteiligende Lebenslagen und deren politische Bedingtheit“ schärfen sollen (BW, S. 5).

Während hier Armut und soziale Ungleichheit als potenzielle Beeinträchtigungen von Bildungs- und Lebenschancen und deren politische Ursachen problematisiert werden, wird die Differenzlinie class häufig auch bezogen auf ihre didaktische Nutzbarmachung hin eingefordert, wie es an einer aus den länderübergreifenden Vorgaben entnommenen Formulierung deutlich wird: Die Fachschüler*innen „nutzen die soziale und kulturelle Vielfalt und berücksichtigen bei der inklusiven Arbeit mit allen Kindern besondere Bedürfnisse, die sich vor einem Migrationshintergrund oder aufgrund von physischen oder psychischen Beeinträchtigungen ergeben können“ (BE, S. 5, kursiv MK & SL, auch BB; BY; HE; NW; SH; SN). Besonderer Unterstützungsbedarf von Kindern wird hier lediglich aus den Differenzlinien race und dis/ability abgeleitet, während demgegenüber ungleiche Lebenslagen („soziale Vielfalt“) als Ressource für die Planung pädagogischer Angebote ausgewiesen werden („nutzen“). Hier zeigt sich exemplarisch eine ungleichheitsbezogene Leerstelle des Konzepts der Vielfalt: Wenn soziale Vielfalt wertgeschätzt, aufgegriffen und genutzt werden soll, dann wird eben nicht erwähnt, welche Benachteiligungen mit dieser Zugehörigkeit verknüpft sind.

Dass sich diese unterschiedlichen Thematisierungsweisen von Herkunft und Ungleichheit in den Curricula in der beruflichen Bildung weiter fortschreiben, deuten unsere Expert*inneninterviews zumindest an. Zunächst wird ein entscheidender Unterschied zwischen Lehrplänen und den Expert*inneninterviews deutlich: In den Lehrplänen geht es im Hinblick auf Differenz in erster Linie bezogen auf die Kinder als Adressat*innen der späteren Berufspraxis. Demgegenüber thematisieren die Lehr- und Leitungskräfte Differenz fast ausschließlich bezogen auf die eigenen Schüler*innen. Mit Blick auf die eigene Schüler*innenschaft wird die Kategorie class in nur drei der sieben Interviews thematisch, wenn die Fachschüler*innen insgesamt eher als „privilegiert‘, oder als „aus sozial schwächeren Milieus“ oder einzelne Schüler*innen als „arm“ beschrieben werden. Die von den Lehrkräften gezogenen Konsequenzen für den eigenen Schul- und Unterrichtsalltag unterschieden sich dabei deutlich: Von einer achselzuckenden Nichtberücksichtigung, über das Schaffen von Ausgleichsmaßnahmen (Einrichtung von Computerräumen) hin zu einer Sensibilisierung der Schüler*innen für ihre eigene Privilegiertheit als übergeordnetem Unterrichtsziel.

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Alle Lehrpläne beanspruchen, Differenz wertschätzend und anerkennend zu begegnen und fordern, für spezifische Lebens- und Bedarfslagen von Adressat*innen angemessene Bildungsangebote zu konzipieren, um so Benachteiligungen auszugleichen und Chancengerechtigkeit zu gewährleisten. Weniger durchgängig richten die Curricula ihre Aufmerksamkeit auf institutionelle und gesellschaftliche Bedingungen, unter denen differenzbezogene Benachteiligungen erst ihre Wirkung entfalten. Bezogen auf die institutionellen Bedingungen wird in den Lehrplänen kaum dafür sensibilisiert, dass Differenzen in pädagogischen Kontexten nicht nur bearbeitet werden, sondern dass es pädagogische Praktiken, Routinen, Organisationslogiken und Normen der Teilhabe sind, die Unterschiede machen – etwa wenn Herkunftssprachen der Kinder als illegitim markiert werden.

In den vorliegenden Lehrplänen wird bezogen auf die gesellschaftlichen Bedingungen in einer Aneinanderreihung unterschiedlicher Differenzdimensionen zwar ‚soziale Herkunft‘ als vorsoziale Gegebenheit mitaufgelistet; Fragen von sozialer Ungleichheit und Armutslagen werden aber keineswegs durchgängig in den Blick genommen. In Bezug auf die Kategorie class fehlt vor allem ein Blick darauf, Differenz nicht (nur) als Merkmal einer Personengruppe zu verstehen, sondern auf die gesellschaftlichen Bedingungen, die Ungleichheiten erzeugen. Denn soziale Herkunft wird erst in dem Moment zu einem Differenzmerkmal, wenn andere Kinder privilegiert aufwachsen und mehr Chancen und Ressourcen zur Verfügung haben, um eine bessere Position im sozialen Gefüge einzunehmen. Insofern gelte es noch konsequenter als es bislang der Fall ist, kontextualisierende Perspektiven auf Differenz im Lehrplan zu verorten, die das Handeln der Fachkräfte, Kategorisierungen der Institution, aber auch gesellschaftliche Bewertungen miteinbeziehen. Angehende Erzieher*innen im berufsschulischen Unterricht systematisch für die gesellschaftliche Erzeugung von Differenz zu sensibilisieren, scheint uns bezogen auf den Anspruch, soziale Benachteiligung über frühkindliche Bildung abzubauen, eine weitaus aussichtsreichere Professionalisierungsstrategie zu sein, als ihnen didaktische Kniffe an die Hand zu geben, mit denen sie soziale Herkunft als Ressource im Kita-Alltag vermeintlich bestmöglich „nutzen“ können, wie es manche Lehrpläne suggerieren.

Literaturverzeichnis

Haude, C. & Volk, S. (2015). Diversity in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte. In C. Haude & S. Volk (Hrsg.), Diversity Education in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte (125-200). Beltz Juventa.

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Kultusministerkonferenz. (2020). RAHMENLEHRPLAN für die Fachschule für Sozialpädagogik [Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.06.2020]. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2020/2020_06_18-RVFS-RLP-Sozpaed.pdf

Länderübergreifende Arbeitsgruppe. (2012). Kompetenzorientierter länderübergreifender Lehrplan für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern [Entwurf Stand 01.07.2012]. https://www.boefae.de/wp-content/uploads/2012/11/laenderuebergr-Lehrplan-Endversion.pdf

Meyer, S. (2017). Soziale Differenz in Bildungsplänen für die Kindertagesbetreuung: Eine diskursiv gerahmte Dokumentenanalyse. Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20239-2

Nadai, E. (2012). Von Fällen und Formularen: Ethnographie von Sozialarbeitspraxis im institutionellen Kontext. In E. Schimpf & J. Stehr (Hrsg.), Kritisches Forschen in der Sozialen Arbeit: Gegenstandsbereiche – Kontextbedingungen – Positionierungen – Perspektiven (S. 149–163). VS.

Strübing, J. (2021). Grounded Theory: Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung eines pragmatistischen Forschungsstils (4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). Springer VS.

Tramm, T. & Naeve-Stoß, N. (2020). Curricula für die berufliche Bildung – Lernfeldstruktur zwischen Situations- und Fächerorientierung. In R. Arnold, A. Lipsmeier & M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Berufsbildung (S. 309–324). VS.


[1] Die Abkürzungen hier und im Folgenden stehen für folgende Länder und Lehrplanversionen: Bayern 2017 (BY), Berlin 2016 (BE), Brandenburg 2024 (BB), Nordrhein-Westfalen 2014 (NW), Saarland 2013 (SL), Schleswig-Holstein 2013 (SH), Hamburg 2013 (HH), Mecklenburg-Vorpommern 2017 (MV), Niedersachsen 2016 (NI), Sachsen 2017 (SN), Sachsen-Anhalt 2015 (ST), Thüringen 2014 (TH), Hessen 2023 (HE), Baden-Württemberg 2010 (BW), Rheinland-Pfalz 2024 (RP), Bremen 2017 (HB)

Inklusiver Kita-Alltag und nutzungsfreundliche digitale Lernmedien für den Morgenkreis

| Ina-Marie Abeck, Tori L. Benn, Alice Forssman, Corinna Schmude, Antonia Schäfer |

Eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung und Erziehung hat den Anspruch einer gelebten Inklusion im Kita-Alltag. Zugleich ist diese eine Herausforderung für die Arbeit von pädagogischen Fachkräften. Dieser Thematik hat sich das Projekt PIIQUE (Pro) angenommen und in einer videografischen Studie analysiert, was eine inklusive Gestaltung für gruppenpädagogische Settings bedeutet – konkret den Morgenkreis. Dabei beschränkte sich das Projekt nicht nur darauf, zu untersuchen, wie Morgenkreise inklusiv gestaltet werden können, sondern auch darauf, wie dieses Wissen alltagsnah und digital für pädagogische Fachkräfte zur Verfügung gestellt werden kann. 

Der folgende Beitrag widmet sich den beiden zentralen Themen des Projekts, die letztendlich miteinander verwoben werden: inklusiver Kita-Alltag sowie nutzungsfreundliche, digitale Lernmedien. 

Was will das Projekt?

Thematisch widmete sich das Projekt der Frage, wie Inklusion und Partizipation von Kindern im täglichen Leben einer Kindertageseinrichtung umgesetzt werden können. Dabei ging es spezifisch um die Beteiligung von Kindern in den Interaktionen mit Fachkräften in Morgenkreisen. Überprüft wurde diese anhand der Identifizierung sogenannter inkludierender und exkludierender Interaktionsmodi auf Grundlage der Diskursorganisation (Przyborski, 2005; Bohnsack & Przyborski, 2010; Nentwig-Gesemann et al., 2012). Außerdem wurden im Laufe des Projektes digitale und crossmediale – d. h. medienübergreifende – Lernformate entwickelt. Ziel war es, diese didaktisch und medial so zu gestalten, dass sie für frühpädagogische Fachkräfte im Berufsalltag leicht zugänglich sind. Die empirischen Ergebnisse zu den inkludierenden und exkludierenden Interaktionsmodi zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Kindern speziell im Setting Morgenkreis wurden analysiert und die gewonnenen Erkenntnisse so aufbereitet, dass sie zu einer Professionalisierung der Frühpädagogik im Bereich der inklusiven Gestaltung des Kita-Alltags beitragen können. Inkludierende Interaktionsmodi werden als solche bezeichnet, wenn es innerhalb der Fachkraft-Kind-Interaktion gelingt, aufeinander abgestimmt und reziprok zu agieren – »in einem Modus der Rahmenkongruenz« (Nentwig-Gesemann et al., 2012, S. 60). Auf der anderen Seite werden solche Interaktionsmodi als exkludierend bezeichnet, in denen »in einem Modus der Rahmeninkongruenz aneinander vorbei bzw. oppositionell gegeneinander agiert wird« (ebd.).

Wie sind wir vorgegangen?

Das vom Institut für angewandte Forschung Berlin (IFAF) geförderte Forschungsprojekt PIIQUE (Pro)der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) und der Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin (HTW) lief von April 2020 bis April 2024 unter der Leitung von Prof. Dr. Corinna Schmude (ASH) und Prof. Alexander Müller-Rakow (HTW). Für die zentrale Frage nach inkludierenden und exkludierenden Interaktionsmodi fanden in den Jahren 2020 und 2022 empirische Erhebungen statt. Hierfür wurden insgesamt 24 Morgenkreise – je zwei mit 12 verschiedenen Fachkräften in unterschiedlichen Kitas in Berlin und Brandenburg – videografiert, zusätzlich wurden mit den jeweiligen Fachkräften Kurzinterviews (Helfferich, 2011) geführt. Erfragt wurden Alter, Berufserfahrung und Besonderheiten der gefilmten Morgenkreise. Im nächsten Schritt wurde ein deduktiv erarbeitetes Kategoriensystem der Interaktionsmodi erstellt. Die Kategorien wurden aus der Fachliteratur abgeleitet – genauer gesagt, aus Forschungsergebnissen zu Interaktionsmodi anhand der Dokumentarischen Methode. Dieses Kodierhandbuch diente als Grundlage der Datenanalyse und wurde im Prozess der Erarbeitung peer reviewed evaluiert. Auf dessen Grundlage erfolgte die Auswertung des Materials, angelehnt an Mayring (2015; Mayring et al., 2005) durch eine strukturierende qualitative Inhaltsanalyse mittels der Software MAXQDA. Es war eine besondere Herausforderung, die Ergebnisse der dokumentarischen Analysen von vorheriger Forschung (u. a. Nentwig-Gesemann et al., 2012) zur Grundlage der Arbeit mit der strukturierenden Inhaltsanalyse zu transformieren. Nach einer ersten Auswertung des Datenmaterials wurde die Analyseeinheit auf die in den Morgenkreisen identifizierten Gesprächsrunden fokussiert. Diese ermöglichen eine Beteiligung aller Kinder und können demzufolge inkludierende bzw. exkludierende Interaktionen sichtbar machen. Somit eignen sich diese Ausschnitte besonders zur Erfassung von inklusivem Handeln.

Parallel zur videografischen Studie hatte das Projekt das Ziel, innovative digitale Lerntools zu erarbeiten. Dazu wurden Design Research Methoden und partizipatives Design (Dalsgaard & Halskov, 2010) genutzt. Partizipatives Design ist als ein Entwicklungsprozess zu verstehen, bei dem die potentiellen Nutzer*innen, Designer*innen und Technologie-Expert*innen zusammenarbeiten. Im Projekt wurden dazu Methoden wie Cultural Probes (ein partizipativer Ansatz der ethnografischen Selbstbeobachtung, Gaver et al., 1999), Workshops (digital und in Präsenz) sowie Gruppendiskussionen durchgeführt, in denen die Perspektive der Fachkräfte im Fokus stand (Kühn & Koschel, 2018). Zusätzlich fanden Befragungen und Prototypen-Testings in den Kitas, User-Testing-Workshops (Bachmann, 2009), Expert*innen-Interviews (Bogner et al., 2014) und interdisziplinäre projektinterne Design-Sprint-Treffen statt (Schäfer & Müller-Rakow, 2022).

Um die beiden Handlungsstränge des Forschungsprojektes zu verbinden und sich somit dem übergeordneten Ziel des Theorie-Praxis-Transfers zu nähern, wurden zwei weitere Vorhaben entwickelt. Das erste Unterziel war die Überführung der fachwissenschaftlichen Formulierungen des Kategoriensystems in eine alltagsnahe Sprache. Hierfür wurden in einem iterativen[1] Prozess die einzelnen inkludierenden und exkludierenden Interaktionsmodi umformuliert und schließlich mit pädagogischen Fachkräften auf ihre Verständlichkeit und im Peer-Review-Verfahren auf die inhaltliche Korrektheit evaluiert. In enger Kooperation mit den Projektpartner*innen[2] wurden Praxisbeispiele zusammengetragen, um somit das zweite Unterziel einer Sammlung von realitätsnahen Handlungsbeispielen als Grundlage für digitale Lerninhalte zu erreichen.

Was ist das Ergebnis?

Ein wesentliches Ergebnis aus den Analysen der empirischen Erhebungen ist die Erweiterung der inkludierenden und exkludierenden um komplementäre Interaktionsmodi. Der komplementäre Modus wurde im Kontext der Unterrichtsforschung formuliert und beruht auf der Unterschiedlichkeit der Interaktionspartner*innen und der Spezifik der institutionell gerahmten und asymmetrisch organisierten Interaktionsstruktur (Martens & Asbrand, 2017). Er ist darüber hinaus spezifisch durch eine Erwachsenenorientiertheit gekennzeichnet (ebd.). Fachkräfte verfolgen dabei das Ziel, dass institutionelle Ordnungen eingehalten werden. Interaktionen, die diesem Modus folgen, unterstützen demnach einen reibungslosen Ablauf und sind im Morgenkreis typischerweise gekennzeichnet von Frage-Antwort-Rückmeldung-Runden, in denen die Fachkraft einen Gegenstand, wie z. B. Wetter, Tiere oder Regeln der Einrichtung bespricht. Langanhaltende, in die Tiefe gehende und an der Perspektive des Kindes orientierte Gespräche finden hier aber nicht statt.

Die 15 Interaktionsmodi werden in vorherigen Untersuchungen in acht inkludierende und sieben exkludierende Modi unterteilt. Ein Ergebnis des Projektes war es, zwei der inkludierenden nun den komplementären Modi zuzuordnen. Die Analysen ergaben, dass die institutionelle Rahmung und die Fokussierung aller Beteiligten in den Interaktionen auf Regeln und Normen der Einrichtung eine neue Einteilung dieser zwei Modi erfordern. In ihnen gelingt ein Bezug zwischen Fachkraft und Kind(ern), das gemeinsame Ziel konzentriert sich auf die Institution. In der weiteren Analyse der beiden komplementären Interaktionsmodi konnte ein Modus als komplementär-inkludierend und der andere Modus als komplementär-exkludierend eingestuft werden (Forssman et al., im Druck; Schmude et al., im Druck).

Im Projekt konnte festgehalten werden, dass sich die Interaktionen in den Gesprächsrunden in der Hälfte aller Morgenkreise im inkludierend-komplementären Bereich bewegten. Diese Interaktionen folgen der Logik kommunikativer Regeln, Fachkraft und Kinder sind an den Relevanzen der Fachkraft orientiert, sie basiert auf der Reziprozität der Akte – Kinder und Fachkraft verstehen sich wie selbstverständlich und schließen unmittelbar aneinander an (Nentwig-Gesemann & Gerstenberg, 2018). Die Interaktion findet hier einvernehmlich statt, das heißt, die Kinder richten sich an der von der Fachkraft vorgegebenen institutionellen Ausrichtung aus und zeigen unter anderem Interesse an dem besprochenen Gegenstand und bringen sich rege ein. Dem komplementären Interaktionsmodus mit exkludierender Ausrichtung wurden vier von 22 Gesprächsrunden zugeordnet. Es lassen sich darin miteinander korrespondierende habituelle Orientierungen beobachten, sie basieren aber auf der institutionellen Fremdrahmung der Akteur*innen (Martens & Asbrand, 2017). Im Gegensatz zur inkludierenden Ausrichtung setzt die Fachkraft ihre Orientierung hier machtvoll z.B. mittels Druck, Lob und Tadel durch, so dass sich die Kinder danach ausrichten.

Damit ist der komplementäre Modus insgesamt mit über zwei Dritteln der analysierten Gesprächsrunden vorherrschend, allerdings überwiegend in einer inkludierenden Ausrichtung. Auch die anderen beobachteten Interaktionen konnten unterschiedlichen inkludierenden Modi zugeordnet werden, rein exkludierende Interaktionsmodi wurden nicht identifiziert. 

Designmethodisch konnte herausgearbeitet werden, dass frühpädagogische Fachkräfte sich kurzweilige, unterhaltsame, modulare und digitale Lernformate wünschen. Die Lernthemen sollen individuell verfolgt werden können und sich adaptiv an die eigene Situation im Berufsfeld anpassen lassen. Die didaktische Aufbereitung von wissenschaftlichen Inhalten soll in kurz gehaltenen Informationseinheiten und in alltagsnaher Sprache gestaltet sein sowie durch illustrative Fallbeispiele veranschaulicht werden. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse aus den designbasierten Methoden wurde eine digitale Lernanwendung, ein Lern-App-Prototyp (LernSnacks), entwickelt. Ziel ist es, in dieser App aktuelle Forschungsergebnisse für Kita-Fachkräfte bereitzustellen. Hierfür wurden die Ergebnisse aus der videografischen Studie genutzt. Dazu war es notwendig, die wissenschaftlich fundiert formulierten Ergebnisse so aufzubereiten, dass sie für frühpädagogische Fachkräfte in kleinen Lerneinheiten zugänglich sind. In Workshops wurde daher gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften an den Formulierungen sowie an den unterschiedlichen Lerneinheiten gearbeitet. Die wissenschaftliche Schärfe wurde wiederum in Gesprächen mit einer Expertin im Bereich der Kindheitsforschung und Professionalisierung der Frühpädagogik sichergestellt.

Was kann das für die pädagogische Praxis bedeuten?

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen, dass der Morgenkreis ein intensiv genutztes pädagogisches Angebot in Kindertagesstätten mit einem hohen Stellenwert ist. Es wird aber auch deutlich, dass es noch Gestaltungspotentiale des Morgenkreises gibt. So wurden zwar im Großteil der untersuchten Morgenkreise inkludierende Fachkraft-Kind(er)-Interaktionen festgestellt, diese orientierten sich jedoch überwiegend an den Interessen, Vorstellungen, Handlungen und Ideen der Fachkräfte. Im Sinne inklusiver Bildung sind inkludierende, kindorientierte Interaktionen anzustreben. Als gruppenpädagogisches Alltagsritual kann der Morgenkreis bewusst als Ort des Austauschs und der Demokratiebildung gestaltet werden, in dem alle Kinder konsequente Teilhabe und -gabe erfahren. Dafür kann unter anderem die im Projekt untersuchte Möglichkeit kindlicher Beteiligung bei der Auswahl sowie der Gestaltung der Aktivitäten, die im Morgenkreis stattfinden, stärker und gezielter wahrgenommen werden (Abeck et al., 2023).

Die Entwicklung und Bereitstellung des Lernanwendungsprototypen, der sich nun in der Testphase befindet, sollen pädagogischen Fachkräften Zugang zu den Ergebnissen und Erkenntnissen des Projektes ermöglichen. Die wissenschaftlich fundierten Inhalte sind in alltagsnaher Sprache in kurzen Lerneinheiten nutzer*innenfreundlich aufbereitet und mit aus der Praxis entnommenen Beispielen veranschaulicht. So können trotz oft begrenzter Zeit neue Handlungsweisen erlernt und in den Arbeitsalltag integriert werden (Wirts et al., 2019). Die selbstbestimmte Auseinandersetzung mit den Inhalten kann zur Reflexion des eigenen professionellen Handelns anregen und damit zur Professionalität in der Kindheitspädagogik einen Beitrag leisten. So soll der im Projekt entwickelte Lernanwendungsprototyp eine niedrigschwellige, kostenfreie sowie flexible Ergänzung zu der unübersichtlichen Weiterbildungslandschaft darstellen. 

Der Prototyp der Lernanwendung wird vorerst auf der E-Learning-Plattform InDiPaed unter folgendem Link getestet und bereitgestellt: www.indipaed.de/courses/interaktionsqualitaet-kita 

Literatur

Abeck, I., Jegodtka, A. & Schmude, C. (2023). Partizipationsmöglichkeiten von Kindern in gruppenpädagogischen Settings. Eine empirische Untersuchung von Partizipation als Schlüsselelement einer inklusiven Alltagsgestaltung in Kindertageseinrichtungen. Frühe Bildung, 12(2), 65-116.

Bachmann, H.W. (2009). Systematische Lehrveranstaltungsbeobachtungen an einer Hochschule. Bielefeld: UVW.

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[1] Die Arbeit in einem iterativen Prozess bedeutet, dass gleiche oder ähnliche Schritte wiederholt werden, um sich Schritt für Schritt einer Lösung bzw. einem Ergebnis zu nähern.

[2] Projektpartner*innen des Projektes sind FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH, pad gGmbH und Studio Sansho sowie InDiPaed und KiGäNo. Der wissenschaftliche Beirat unter der Leitung von Prof. Dr. Aljoscha Jegodtka begleitet das Projekt durch wissenschaftliche Beratung und Qualitätssicherung.

Der Habitus der Kita. Dokumentarische Analysen zu Inklusion und Prävention in Kindertageseinrichtungen

| Isabell Krähnert |

Seit der Jahrtausendwende stehen Kitas unter Professionalisierungsdruck. Die Expansion des frühpädagogischen Handlungs-, Forschungs-, Aus- und Weiterbildungsfeldes geht mit einer Ausweitung gesellschaftlicher, bildungspolitischer und fachwissenschaftlicher, teils spannungsreicher Professionalisierungserwartungen einher, zu denen Einrichtungen sich verhalten (müssen). Empirische Ergebnisse verweisen darauf, dass Kitas als rezeptive Handlungsfelder zu verstehen sind: Sie weisen sich dadurch aus, dass sie teilweise ‚normhungrig‘ und hochadaptativ mit externen normativen Anforderungen umgehen und einen Modus der steten Selbstoptimierung grundlegen, der es nahelegt, expandierende Professionalisierungsaufforderungen fortlaufend anzunehmen (Cloos et al., 2019). Hiervon ausgehend richtete ich in meiner Dissertationsstudie (Krähnert i. E.) den Fokus auf zwei dieser Erwartungen: auf Inklusion und Prävention. Mit dem Anspruch der Inklusion wird die Forderung an Fachkräfte herangetragen, Kinder in ihrer unverwechselbaren Einzigartigkeit in den Blick zu nehmen und hierbei jegliche Varianz kindlicher Verfasstheit nicht zu bewerten, sondern wertzuschätzen. Zugleich sollen die Fachkräfte frühestmöglich Auffälligkeiten und Entwicklungsrisiken in den Blick rücken, kindliche Entwicklung also durchaus bewerten und kompensatorisch intervenieren. Dies wird in der Studie als kollisionsträchtige Auftragslage für Kitas herausgestellt, also als Anforderungen, die sich potenziell widersprechen. Ob und wie Einrichtungen diesen Anforderungen begegnen und ob und wie sie diese spannungsreichen Handlungsaufträge (nicht) in Handlungspraxis übersetzen, ist bislang empirisch nahezu unerkundet und Ausgangspunkt der Studie.

Was ist das Phänomen: Kollisionsträchtige Auftragslage für Frühpädagog:innen

Kinder einerseits in ihrer „Vielschichtigkeit, Veränderlichkeit, Vernetztheit und Unbestimmbarkeit“ (Prengel 2020, S. 35, Herv. i. O.) zu perspektivieren, als Individuen, als „unauslotbar, unvertretbar und unteilbar“ (Krönig 2017, S. 59, Herv. i. O.), kollidiert mit dem, was Helga Kelle als „Präventionsdispositiv“ (Bröckling 2008, S. 47 zit. nach Kelle 2018, S. 87) bezeichnet. Die Transformation des Handlungsfeldes Kita geht mit der Expansion der Entwicklungsdiagnostik einher: Kinder werden nunmehr von Geburt an bis zum Schuleingang immer häufiger, von immer mehr Berufsgruppen in den diagnostischen Blick genommen. Hierbei sind einerseits medizinisch-gesundheitsbezogene, andererseits pädagogisch-psychologische und kompetenzbezogene Diagnostiken zu nennen. Seit den 2000er Jahren gibt es vermehrte Maßnahmen etwa zur sog. Früherkennung, flächendeckende Screenings, verbindliche U-Untersuchungen etc., sodass vom Durchschlag des „Präventionsparadigmas“ (Seitz/Hamacher 2021, S. 120) die Rede sein kann. Der Blick auf potenzielle ‚Entwicklungsrisiken‘ des Kindes wird grundgelegt und damit eine Rangordnung kindlicher Verfasstheiten. Wird Inklusion als Aufforderung zur Anerkennung und Wertschätzung aller Vielfalt verstanden, auch bezogen auf unterschiedliche Leistungs- und Entwicklungsstände der Kinder, dann kollidiert dieses egalitäre (horizontale) Perspektivierungsgebot mit einer hierarchisierenden (vertikalen) Präventionsperspektive (Krähnert 2020). (Wie) Können Anforderungen einer „early prevention and intervention“ (Kelle 2018, S. 89) mit Ansprüchen der Inklusion vereinbart werden?

Was will die Studie?

Sollen Fachkräfte das Kind nun in jeglicher, pluraler Verfasstheit individuell anerkennen, wertschätzen und als Unvergleichbares perspektivieren? Oder sollen sie mit empfindlichen Sensoren mögliche Abweichungen frühzeitig detektieren, um Fehlentwicklungen, Unterstützungs- und Förderbedarfe frühzeitig zu identifizieren und zu kompensieren? Was genau ist inklusiv – die Kinder zu kategorisieren oder zu de-kategorisieren? Mit Boger (2015) ist offenzuhalten, wie Inklusion einzulösen ist: Sollen die Kinder in ihrem (vermeintlichen) Anders-Sein empowert werden? Und wenn ja, wie geht das mit dem Auftrag der Schulvorbereitung zusammen? Oder sollen Kinder, ganz im Gegenteil, in ihrem Wunsch nach Normalisierung – also zu sein, wie die Anderen – empowert werden?  Soll die Kategorie ‚Behinderung‘ dekonstruiert, in Frage gestellt, oder aber gerade als Sprechendenposition für die Kinder und Familien stark gemacht werden?

Das Spannungsfeld um Inklusion und Prävention ist also kaleidoskopisch[1] und mehrschichtig: Jemanden zu etikettieren und Abweichung zuzuschreiben, kann genauso schmerzhaft und kontraproduktiv sein, wie es nicht zu tun und genauso riskant wie notwendig. Was tun Einrichtungen also? Welche Aufforderungen (Inklusion und/oder Prävention) adaptiert pädagogische Praxis? Welche Perspektive auf die Kinder (egalisierend oder hierarchisierend) wird in den Einrichtungen eingenommen? Welche Zuständigkeiten schreiben sich Frühpädagog:innen dabei selbst zu, bspw. für Schutz, Bildung, Entwicklung oder Kompetenzzuwachs?

Wie bin ich vorgegangen?

Um meine Forschungsfragen zu bearbeiten habe ich eine ‚Biopsie‘[2] im Feld in vier ausgewählten und systematisch gesampelten Einrichtungen, durchgeführt. Dabei konnte ich auf Daten und Ergebnisse aus einem Vorgängerprojekt (Krähnert et al. 2022) zurückgreifen und die Dissertation als Vertiefungsstudie anlegen. Für jede der vier Einrichtungen wurden je drei Datensorten analysiert: 1) die Kita-Konzeption, 2) ein leitfadengestütztes Leitungsinterview und 3) mindestens ein Elterngespräch zwischen Fachkraft und Eltern über ein Kind, das einen sog. ‚Integrationsstatus‘ innehat. Die Studie wurde entsprechend mehrebenenanalytisch und als rekonstruktive Organisationsforschung (Vogd/Amling 2017) angelegt, alle Daten mit der dokumentarischen Methode analysiert und miteinander relationiert. Zugleich wurde eine subjektivierungsanalytische Perspektive nach Geimer und Amling (2019) in der Analyse mitgeführt, die es ermöglicht, eine besondere Scharfstellung auf subjektbezogene Normen und damit ‚Subjektideale‘ zu eröffnen: Welche Idealvorstellungen vom Kind dokumentieren sich in den verschiedenen Daten – wie sollte es also idealerweise sein? Verbunden wurde dieser Blick mit einer ableismussensiblen Perspektive, die ihren Fokus auf „gesellschaftliche Fähigkeitsordnungen“ (Buchner/Pfahl 2017, S. 211) zu richten vermag. Auf diese Weise konnten die Konstruktionen des Kindbildes und des Selbstbildes der Pädagog*innen und die hierfür relevanten identitätsbezogenen (Fähigkeits-)Normen ins Zentrum der Analyse eingerückt werden.

Was ist das Ergebnis?

Die vier mehrebenenanalytisch untersuchten Einrichtungen gehen sehr unterschiedlich – und systematisch – mit dem Spannungsfeld zwischen Inklusion und Prävention um. Das zentrale Ergebnis der Studie ist, dass Einrichtungen (kollidierende) Professionalisierungserwartungen selektiv adaptieren (annehmen) entlang eines je spezifischen Musters, das sich auf allen jeweils untersuchten Ebenen der einzelnen Einrichtung zeigt. Ob und in welcher Weise Einrichtungen Inklusion und/oder Prävention auf ihren verschiedenen Ebenen ‚einlesen‘, hängt von der, insbesondere auf der Ebene des impliziten Wissens eingelagerten, Leitnorm (auch Hypernorm) der Einrichtung ab, die ich in der Studie als Habitus der Organisation herausgearbeitet habe: Kitas selektieren (gesellschaftliche, bildungspolitische und fachwissenschaftliche) Professionalisierungserwartungen und adaptieren jene Erwartungen, die mit ihrem jeweiligen Organisationshabitus vereinbar sind. Mit der Studie ist entsprechend der Vorschlag unterbreitet, den Begriff des Habitus als Modus Operandi – als Bearbeitungsmuster externer Erwartungen – auch für Organisationen fruchtbar zu machen: Wird dem gefolgt, verfügen Einrichtungen also über einen Habitus, der bestimmt, ob und wenn ja, inwiefern sich Einrichtungen mit Professionalisierungsaufforderungen auseinandersetzen. Damit kann sich der Beantwortung der Frage angenähert werden, warum Einrichtungen je unterschiedliche Erwartungen einlesen, nämlich solche, die zu ihren „bereits vorhandenen Zügen ‚passen‘“ (Rehbein/Saalmann, 2009, S. 112). Die folgende Tabelle ordnet den Einrichtungen den jeweiligen rekonstruierten Habitus zu und listet die damit verbundenen Subjektideale: Sie sind das, was Kinder oder Fachkräfte idealerweise sein sollen.Subjektivierungsanalytisch betrachtet sind es implizite Idealvorstellungen, die in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit und damit Praxisrelevanz rekonstruiert werden konnten.

Tabelle 1: Ausgewählte, exemplarische Ergebnislinien (eigene Darstellung)

Für die Einrichtung Kunterbunt konnte der Habitus der Progression, im Sinne eines hochtourigen Fortschrittes und permanenten Überholens, identifiziert werden. In der Einrichtung Schmetterling konnte der Habitus der Assimilation, im Sinne einer Anpassung und Angleichung von Abweichungen der Kinder an Alters- und Entwicklungsnormen rekonstruiert werden, für die Einrichtung Fliederheim der Habitus der Selbstprofessionalisierung der Fachkräfte. Hier wird nicht von kindlicher Verfasstheit und schon gar nicht vom Defizit der Kinder aus gedacht, sondern vielmehr ist das Muster einer Selbstproblematisierung und -infragestellung der Fachkräfte dominant. Für die Einrichtung Shiloh ist der Habitus der FürsorgePflichtGemeinschaft konstitutiv, wobei alle drei Komponenten gleichgewichtet sind. Grundgelegt ist damit ein Sinnmuster, das auf eine Vergemeinschaftung, auf Zusammenhalt, verpflichtet, im Sinne einer innerjüdischen Schutz-Community post Shoa im Land der Täter:innen. Der Organisation Kita wird hier ein spezifisch soziohistorisch begründeter Zweck, Funktion und damit Sinn zugeschrieben: Sie wird zum Ort der Realisierung und Bewahrung jüdischen Lebens in Deutschland.

Mit Rückblick auf meine Forschungsfragen, welche externen Erwartungen nun von den Einrichtungen adaptiert und welche Perspektiven auf Kinder – horizontale inklusionsorientierte oder präventive vertikale – angelegt werden, lässt sich sagen: Es hängt mit dem jeweiligen Habitus zusammen, ob eher eine Präventionsorientierung eingelesen wird – wie in Kunterbunt und Schmetterling, oder eine Inklusionsorientierung wie in Fliederheim oder aber, ob weder das eine noch das andere empirisch identifiziert werden kann wie in Shiloh. Die Ergebnisse der Einrichtung Shiloh verweisen exemplarisch darauf, dass Einrichtung mit starkem, hier religiös und soziohistorisch konturiertem Eigenbezug, recht geschlossene ‚Membranen‘, gegen bildungspolitische, fachwissenschaftliche Erwartungen prozessieren können. Diese externen Anforderungen erreichen Einrichtungen also selektiv: Kitas sind für das besonders rezeptiv, was mit ihrem Habitus kompatibel ist.

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Die Studie kann zunächst als Plädoyer für die Anerkennung der Eigenlogik und Unverfügbarkeit der Praxis verstanden werden.[3] Sie erhellt einerseits die Voraussetzungen, Bedingungen und Potenziale von fachwissenschaftlichen und bildungspolitischen Professionalisierungsanliegen, verweist aber anderseits deutlich auf ihre Grenzen: Immer neue Aufforderungen zur Transformation und zur Fortentwicklung und Optimierung pädagogischer Handlungspraxis stoßen nicht auf unbestellte Felder, sondern auf bereits eingespielte Organisationshabitus, die die Ebenen der Organisation durchdringen und die einen je eigenlogischen und unverfügbaren Umgang mit diesen Anforderungen bedingen. Für die pädagogische Handlungspraxis lässt sich aus den Gesamtergebnissen der Studie zweierlei ableiten: Zum einen könnte es für die Praxis selbst gewinnbringend sein, über die grundgelegten impliziten Prämissen der Organisation gemeinsam zu reflektieren, Verfahren, Dokumente, Prozesse und pädagogische Interaktionen daraufhin zu befragen und in den kritischen Blick zu rücken. Zum anderen können die Ergebnisse als Hinweis darauf verstanden werden, wie voraussetzungsvoll Transformationsprozesse sind und dass sie notwendig einzubetten sind in umfassende kollektive Reflexions- und Vergewisserungsprozesse – dies erfordert umfassende Ressourcen und ein Transformationsmanagement in der Einrichtung.

Nicht zuletzt kann die Studie auch als Ermutigung für die Praxis gelesen werden, einen reflektierten Umgang mit externen Erwartungen einzuüben, normative Anforderungen dezidiert in den kritischen Blick zu rücken, auf widersprüchliche Implikationen zu überprüfen und die Implementation immer neuer Anforderungen ggfs. reflektiert und begründet abzuweisen. 

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[1] In einem Kaleidoskop (Rohr mit kantig angeordneten Spiegelflächen zum Durchschauen und Drehen, an dessen inneren Ende sich farbige Gegenstände befinden) spiegeln sich die bunten Gegenstände, je nachdem, wie sie gedreht werden, zu immer wieder neuen symmetrischen farbigen Mustern.

[2] Mit Biopsie ist hier (im Sinne einer losen Begriffsanleihe aus dem medizinischen Vokabular) gemeint, dass eine Art kleine ‚Gewebeprobe‘ aus dem gesamten Handlungsfeld Kita entnommen wurde: Die Studie hat den Versuch unternommen anhand einer mehrebenenanalytischen Untersuchung in vier Einrichtungen etwas über ‚das Handlungsfeld‘ Kita herauszuarbeiten.

[3] Politik, Wissenschaft oder Wirtschaft können also nicht einfach in die Organisation Kita hineinsteuern oder nahtlos hineinwirken. Vielmehr verarbeiten Kitas externe Anforderungen in je eigenlogischer, nicht absehbarer und steuerbarer Weise und bleiben damit in gewisser Weise ‚unverfügbar‘.

Demokratiebildung in Qualitätsverfahren der Kindheitspädagogik – von Anti-Diskriminierung, Diversität und Inklusion: Was steht drin, wenn’s drauf steht?

| Hoa Mai Trần |

Einleitung

Die Diskussion um Qualität in der frühkindlichen Bildung wurde maßgeblich durch den „Pisa-Schock“ 2001 vorangetrieben. Qualitätsverfahren werden als Instrumente zur Steuerung der pädagogischen Praxis angesehen. Neben quantitativem Ausbau wurden Bildungs- und Orientierungspläne erstellt, und Fragen nach „guter“ Qualität aufgeworfen. Dies führte zu einem verstärkten Fokus auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit, wobei Qualität definiert und überprüft werden musste. Es entstanden zahlreiche Verfahren und Instrumente zur Qualitätsentwicklung und -sicherung, wobei unterschiedliche Ansätze und Modelle diskutiert wurden. Dabei wurden und werden sowohl interne als auch externe Evaluationen verwendet, um Qualität zu sichern oder zu verbessern. Kontroversen gibt es nach wie vor darüber, wer „gute“ Qualität festlegt und überprüft und wie demokratisch und inklusiv diese Verfahren sind. Peter Moss betont, dass Qualität nicht nur objektiv gemessen werden kann, sondern ein konstruierter und kollektiver Prozess der Bedeutungskonstruktion sind (Pence, Moss 1994, S. 172; Moss 2016, S. 10, 15). Er schlägt vor, Evaluation als demokratischen Prozess zu verstehen, bei dem verschiedene Akteure gemeinsam Sinn und Bedeutung konstruieren. Demokratiebildung sollte daher integraler Bestandteil der Qualitätsdiskussion sein, um ein professionelles und demokratisches Bildungssystem zu gewährleisten (Dahlberg et al. 2013, S. xv; Moss 2016, S. 11f.; Moss, Urban 2010). Im 16. Kinder- und Jugendbericht wird die Bedeutung von Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung hervorgehoben (BMFSFJ 2020, S. 163ff., 176). Gefordert wird eine stärkere Ausrichtung an Demokratiebildung in der Analyse von Bildungsplänen (Wolter 2021), der Bedarf der Analyse von Qualitätsdiskursen im Elementarbereich wird verdeutlicht. Diese sind folglich stärker auf Demokratiebildung auszurichten, was das Vorhaben im Rahmen des Kompetenznetzwerks „Demokratiebildung im Kindesalter“ der Fachstelle Kinderwelten (ISTA) aufgriff.

Was will das Projekt?

Verschiedene Qualitätsverständnisse führten zu den verschiedenen Verfahren und Instrumentarien, die in der kindheitspädagogischen Landschaft Anwendung fanden und finden. Doch wer definiert „gute“ Qualität auf welcher Art und Weise? Im Rahmen des Kompetenznetzwerk für Demokratiebildung im Kindesalter angesiedelt an der Fachstelle Kinderwelten (ISTA) wurde 2021-2023 eine Dokumentenanalyse zu „Demokratiebildung in Qualitätsverfahren“ durchgeführt. Ziel der Analyse ist es, einen kritischen Blick in die heterogene Qualitätslandschaft mit Fokus auf den Elementarbereich zu werfen. Es wurden 21 Qualitätsverfahren auf die Schwerpunkte: Demokratie, Partizipation, Kinderrechte, Diversität, Diskriminierung und Inklusion analysiert. Demokratiebildung wird als fortlaufender Prozess und auf Ebene der Bildungsprozesse von Kindern als Erfahrungs- und Lebensform verstanden (Oelkers 2011, S. 121ff.; Eberlein et al. 2021, S. 12, 212), der es allen Mitgliedern einer Gesellschaft ermöglichen soll, aktiv an demokratischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Kinderrechte sind als grundlegende demokratierelevante Rechtsanker für Kinder, die Anforderung an pädagogische Fachkräfte zur Einhaltung von Schutz-, Beteiligungs- und Förderrechten von Kindern verankern (UN-Kinderrechtskonvention 1989). Partizipation ist historisch in reformpädagogischen Bewegungen verankert, und stellt ein zentrales Prinzip dar, welches die Beteiligung von Kindern in Inhalt und Form befördert (Ruppin 2018; Schwerdt et al. 2023, Hansen et al. 2011). Diversität wird als wichtige Perspektive hervorgehoben, da die heterogenen Zugehörigkeiten und Lebenslagen von Kindern und Familien in der pädagogischen Arbeit bedeutsam werden (Hormel 2007, S. 27, Stenger et al. 2017, S. 9). Diskriminierung, als Ausschluss oder Benachteiligung bestimmter Gruppen, wird als „Demokratiedefizit“ unvereinbar mit dem demokratischen Anspruch betrachtet und erfordert eine aktive Auseinandersetzung und Gegenmaßnahmen (BMFSFJ 2020, S. 164f.; Scherr 2016). Inklusion zielt darauf ab, die Teilhabe von Kindern an Bildung und Gesellschaft chancengerecht zu gewährleisten. Erwähnenswert ist hierbei der erfolgte Paradigmenwechsel, welcher nicht mehr ein vermeintliches Defizit bei Kindern fokussiert, sondern Behinderungen auf gesellschaftliche Defizite betrachtet, welche als Barrieren in Strukturen und Institutionen wirksam sind und entsprechend abgebaut werden müssen (Degener 2010, S. 58; Wagner 2022). Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der UN-Behindertenkonvention verpflichtet Teilhabe im Bildungssystem umzusetzen, doch nach wie vor besteht Handlungsbedarf, um ein inklusives Bildungssystem zu schaffen. Innerhalb der Dimensionen und Zugänge über Demokratiebildung, Partizipation, Kinderrechte, Diversität, Anti-Diskriminierung und Inklusion gibt es viele inhaltliche Überschneidungen. Die Diskussion um diese in diesem Beitrag knapp skizzierten Konzepte reflektiert die komplexen demokratierelevanten Herausforderungen für die pädagogische Praxis und die Notwendigkeit einer kontinuierlichen wertebasierten Auseinandersetzung mit Qualitätsverfahren und der Weiterentwicklung von Demokratiebildung im Kindesalter auf.

Wie geht das Projekt vor?

Die Dokumentenanalyse zielt darauf ab, die Rolle der Demokratiebildung in Kitas innerhalb der Qualitätsverfahren zu untersuchen. Die Dokumentenanalyse konzentriert sich darauf, wie häufig Aspekte wie Partizipation, Kinderrechte, Inklusion, Diversität und Diskriminierung in den untersuchten Qualitätsverfahren vorkommen. Es wird eine zusätzliche qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt, die quantitative Techniken wie die Erfassung von Begriffshäufigkeiten ergänzte. Die Untersuchung schafft eine Annäherung an ein deskriptives Abbild zu verschiedenen Dimensionen der Demokratiebildung und gibt Rückschlüsse auf Weiterentwicklungspotenziale. 21 Qualitätsverfahren wurden im Sample der Dokumentenanalyse aufgenommen. Sie unterschieden sich in qualitativ und quantitativem Zugang, ihrer regionalen Verankerung sowie lokaler, bundesweiter und nationaler Anwendung, ihren Evaluationsformen (intern und/oder extern) sowie ihrer Verbreitung als ansatzbezogene, managementbezogene, trägerbezogene Formen. Verschiedene Dokumente und Methoden wurden anhand verschiedener Kriterien für die Dokumentenanalyse verwendet, darunter Beobachtungsbögen, Fragebögen bis hin zu ganzen Handbüchern und Manuals. Es wird betont, dass die Analyse auf einer begründeten Auswahl von Dokumenten basiert und keine direkten Einblicke in die pädagogische Praxis und die Verwendungsweisen in der Arbeit mit verschiedenen Verfahren aufzeigen[1]. Die Analyse liefert dadurch Impulse für den Fachdiskurs und eine Annäherung an die Frage, wie es um Demokratiebildung in verschiedenen Qualitätsverfahren steht.

Was ist das Ergebnis?

Im Folgenden wird ein Einblick in Teilergebnisse zu Diversität, Inklusion und Diskriminierung gegeben. Die vollständigen Ergebnisse sind im Werk „Demokratiebildung in Verfahren der Qualitätsentwicklung in Kitas: Eine Dokumentenanalyse Zur Stellung von Partizipation, Kinderrechten, Diversität, Diskriminierungskritik und Inklusion in der kindheitspädagogischen Qualitätslandschaft” (Trần 2024) nachzulesen.

Trotz großer Unterschiede zwischen verschiedenen Qualitätsverfahren wurden alle Schlagwörter übergreifend gefunden, was darauf hindeutet, dass grundsätzlich bestimmte Zugänge in Qualitätsverfahren verhandelt werden, wobei insbesondere Partizipation stark aufgegriffen wird und Diskriminierung als der meist vernachlässigte Teilaspekt gedeutet werden kann. Diversität wird häufiger thematisiert als Inklusion. Deutlich werden die großen Unterschiede im Profil einzelner Qualitätsverfahren.

Rang nach TreffernInhaltliche KategorieAnzahl der Kodierungen
1Partizipation10388
2Diversität9728
3Kinderrechte7230
4Demokratie4563
5Inklusion4417
6Diskriminierung3927
Gesamt40253
Tabelle 1 Absolute Häufigkeit von Treffern nach verschiedenen Zugängen (Eigene Darstellung)

Diversität in Qualitätsverfahren wird meist unter Begriffen wie „Unterschiede“ und „Vielfalt“ thematisiert. Allerdings ist der Bezug zu sozialer Differenz und Heterogenität geringer. Die Sprachwahl variiert stark, wobei „Vielfalt“ und „Unterschiede“ öfter verwendet werden als „Diversität“. Unterschiedliche Verfahren handhaben Diversität unterschiedlich. Es geht einerseits darum, Unterschiede anerkennend und respektvoll als Teil der pädagogischen Arbeit aufzugreifen. Andererseits wird die inhaltliche Spannbreite von Diversität teils oberflächlich abgehandelt und sehr unterschiedlich bis einseitig-stereotyp zur Sprache gebracht und auch hier gibt es große Disparitäten zwischen einzelnen Qualitätsverfahren. Diversität zeigt sich in verschiedenen Differenzkategorien (abgefragt wurden beispielsweise natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Alter, Geschlecht, psychische und physische Einschränkungen, sozialer Herkünfte etc.), wobei das Alter und die ethnische Zugehörigkeit am häufigsten erwähnt werden, während psychische und physische Einschränkungen und sexuelle Orientierung wenig Beachtung finden. Kinder sind die häufigste Zielgruppe, aber auch Familien und ethnische Zugehörigkeit werden oft genannt. Dennoch sind bestimmte Aspekte der Diversität, wie nicht-binäre Geschlechtlichkeit oder verschiedene Religionen unterrepräsentiert. Die Sprache und Herangehensweise zu Diversität in Qualitätsverfahren zeigen eine Affirmation von Vielfalt, während eine machtkritische Perspektive weniger präsent ist. Seltener wird die Beteiligung der Fachkräfte an der Herstellung von Differenz von Kindern und Familien thematisiert, sondern vorwiegend der Umgang mit Heterogenität in den Blick genommen. Es besteht Bedarf an einer umfassenderen Berücksichtigung diverser Lebensrealitäten von Kindern und an einer kritischeren Auseinandersetzung mit Diversität in der pädagogischen Praxis und in Qualitätsverfahren.

Die Analyse zeigt, dass das Verständnis von Inklusion in Qualitätsverfahren uneinheitlich ist, und die Umsetzung variiert stark. „Inklusion“ wird insgesamt 262-mal benannt in der Spannbreite von gar keiner Benennung in acht Qualitätsverfahren bis hin zu 125 Treffern in einem Qualitätsverfahren. Häufig wird Inklusion einseitig betont, ohne Exklusion zu berücksichtigen. Das „Gemeinsame“ in Sinne von Zusammen sein „aller“ wird oft hervorgehoben, während Teilhabe, Zugehörigkeit und Barrierefreiheit selten angesprochen werden. Die Formel „alle Kinder“ bleibt unpräzise, birgt Widersprüche und bleibt vage in Hinblick auf konkrete Maßnahmen, die bestimmte Zielgruppen von Kindern betreffen. Der Begriff „Inklusion“ wird mit Kindergruppen entlang physisch-psychischer Fähigkeit, natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit und ihres Alters erwähnt, was das Spannungsfeld der Spezifik des inklusiven Auftrags für bestimmte Kinder und seiner Generalisierbarkeit von „allen“ Kindern verdeutlicht. Bestimmte Qualitätsverfahren weisen deutlich dazu an, „Inklusion“ als Zielwert pädagogischer Qualität zu adressieren, doch es gibt auch einige Verfahren, die sich kaum (und vor allem nicht explizit) mit Inklusion befassen. Die Thematisierung von Exklusion muss verstärkt werden, um Barrieren abzubauen. Die Konsistenz von Integration und Sonderpädagogik ist bedenklich, da sie einerseits Benachteiligte ansprechen, andererseits aber eine Sonderbehandlung bestimmter Kindergruppen mitermöglichen. Die Herausforderung besteht darin, ein ausgewogenes Verständnis von Inklusion zu entwickeln und einen verstärkten Diskurs über Exklusion zu führen.

Die Analyse zeigt, dass Diskriminierung in Qualitätsverfahren nur am Rande thematisiert wird. Während Herrschaftsverhältnisse häufiger erwähnt werden, bleibt die explizite Auseinandersetzung mit Diskriminierung sehr gering. Es fehlt an konkreten Strategien zur Bewältigung von Diskriminierungssituationen. Die Benennung spezifischer diskriminierender Ideologien (wie beispielsweise Klassismus, Rassismus, etc.) ist selten, ebenso wie die Erwähnung von Interventionsstrategien, welche beispielsweise durch Beschwerden angesprochen werden. Es lässt sich in Bezug auf die Ergebnisse der Analyse von Diversität und Differenzmerkmalen feststellen, dass die Ansprache von beispielsweise „Kinder[n]“ mit 2446 Treffern und seinem Diskriminierungsäquivalent „Adultismus“ mit 3 Treffern eine Thematisierung in der Benennung von spezifischen Personengruppen (hier Kinder) stark gewichtig, doch ihre Ausgrenzungsrisiken kaum bis gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Die Art und Weise, wie Diskriminierung behandelt wird, variiert stark zwischen den Qualitätsverfahren. Einige thematisieren sie ausführlicher, während andere sie kaum berücksichtigen. Die Verwendungsweisen des Diskriminierungsbegriffs in der Kita sind sehr unterschiedlich gelagert. Es kann nicht von einer systematischen Auseinandersetzung gesprochen werden, sondern mehr von einer punktuellen Ansprache ausgewählter Qualitätsverfahren. Dabei unterscheiden sich die Benennungen stark nach den jeweiligen Qualitätsverfahren. Viele Verfahren haben Diskriminierung kaum bis gar nicht in ihrem Fokus auf pädagogische Qualität. In der qualitativen Analyse zeigt sich, dass Diskriminierung mit Sensibilisierung für Vorurteile und Übergriffigkeiten in Verbindung steht. Offen bleibt, wer von wem wie diskriminiert wird und wie pädagogisch damit umgegangen werden kann. Teils wird die Idee eines diskriminierungsfreien Raums mitgetragen, die die Adressierung von Diskriminierungen im pädagogischen Alltag ausblenden. Andere Verfahren widmen sich gezielter Diskriminierungsrisiken in der Kita.

Die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen wird betont, indem die Anwendungsweisen von Qualitätsverfahren in der Praxis sowie die Perspektiven der Kinder stärker einzubeziehen sind. Zudem wird die Erwachsenenzentrierung im Diskurs über Qualität und Demokratiebildung kritisch hinterfragt und auf die Machtverhältnisse sowie Diskriminierungsrisiken als Demokratiedefizite in Kindertageseinrichtungen hingewiesen. Die wertebasierte Ausrichtung sind durch Partizipation und Demokratiebildung grundsätzlich vorhanden und in Qualitätsverfahren zu präzisieren. Kinderrechte müssen stärker expliziter Bestandteil von pädagogischer Qualität sein und Diversität tiefgründiger und kritischer verhandelt werden als bisherige Qualitätsverfahren dies tun. Das Fazit der vorliegenden Dokumentenanalyse verdeutlicht die vielfältigen Impulse für einen kritischen Qualitätsdiskurs in kindheitspädagogischen Handlungsfeldern mit dem Fokus auf Demokratiebildung. Weiterhin kann über die konsequentere Ausrichtung im Qualitätsdiskurs in Richtung Demokratiebildung verwiesen werden. Eine Unterscheidung je nach Kontext und Verwendungsweise verschiedener Qualitätsverfahren wird ebenfalls deutlich, da es große Unterschiede zwischen einzelnen Qualitätsverfahren zu verschiedenen Teilaspekten sich abgezeichnet haben.

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Demokratieförderliche Prinzipien müssen stärker programmatisch und inhaltlich konturiert werden, um die Verbindung zwischen bildungspolitischen Strategien und pädagogischer Alltagspraxis zu befördern. Es bedarf einerseits formaler Strukturen, damit Demokratiebildung als Handlungspraxis ermöglicht wird und andererseits eine flexible Umsetzung und Ausrichtung an der pädagogischen Praxis und seiner verschiedenen Akteur*innengruppen – allen voran den Kindern. Diese konsequente Strategie kann als organisationale Aufgabe begriffen werden, da verschiedenen Ebenen und Subsysteme in pädagogischen Einrichtungen für eine demokratiebildenden Qualitätsdiskurs und Praxis beitragen. Die pluralen Lebenswirklichkeiten von Kindern in ihren heterogenen Ausprägungen brauchen mehr, systematische und explizitere Berücksichtigung in Qualitätsverfahren, die entsprechend zu überarbeiten sind. Es besteht die Notwendigkeit einer diversitätsbewussten Auseinandersetzung und Ansprache und Adressierung von Kindern und Familien, um den heterogenen Lebenswelten gerecht zu werden und Ungleichheiten sowie Ausschlüssen entgegenzuwirken. Diskriminierungen und deren Umgang stellen eine größere Leerstelle in Qualitätsverfahren dar. Grundlegend besteht Bedarf, Diskriminierung stärker und expliziter in den Blick zu nehmen und konkrete Handlungsorientierungen zu entwickeln, um Teilhabebarrieren und Demokratiedefiziten entgegenzuwirken. Schlussfolgernd wird deutlich, dass Inklusion viel mit der Thematisierung „aller Kinder“, dem Zusammensein sowie gemeinsamen Aktivitäten implizit angesprochen wird. Gleichzeitig wird Inklusion wenig thematisiert, wenn es um umfassende Teilhabe, Zugehörigkeit und Barrieren in pädagogischen Einrichtungen geht. Die Formel „alle“ Kinder im Sinne eines allumfassenden Einschlusses kann als unpräzise gelten, da sich darunter verschiedene Ziele, Werte und Handlungsmaßnahmen verbergen, die teils bestimmte Zielgruppen von Kindern implizit ansprechen und dennoch größeren Interpretationsspielraum aufweisen. Hier braucht es Klärung wer mit Inklusion wie gemeint und wie behandelt werden soll, um grundsätzlich die Bildungseinrichtung inklusiv zu gestalten. 

In der Betrachtung der Ergebnisse wird deutlich, dass der Umgang mit Diversität, Inklusion und Diskriminierung vor allem als Aufgabe pädagogischer Fachkräfte ausgewiesen wird. Dies erfordert einen Ausbau von demokratischen Strukturen innerhalb der Organisation, bei dem nicht nur pädagogische Fachkräfte, sondern die gesamte Organisation in die Verantwortung gezogen wird. Die vorgeschlagenen praxisnahen Rückschlüsse zielen darauf ab, die Qualitätssicherung und -weiterentwicklung in Kindertageseinrichtungen zu verbessern und Demokratiebildung als Struktur pädagogischer Einrichtungen sowie Recht von Kindern stärker zu verankern. Dabei ist eine systematische Auseinandersetzung mit Demokratiebildung und verschiedenen Zugängen wie Partizipation, Kinderrechten, Diversität, Diskriminierung und Inklusion unerlässlich. Es bedarf einer Verschiebung in der Qualitätsdebatte weg vom Effizienz-Paradigma hin zur Qualitätsentwicklung als Demokratisierungsstrategie in Inhalt und Form. So kann Demokratiebildung als Recht von Kindern in der pädagogischen Praxis umfassend realisiert werden und im Alltag als Erfahrungsform durch Qualitätsverfahren sowie in der pädagogischen Alltagspraxis gelebt werden.

Literaturverzeichnis

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Trần, Hoa Mai (2024): Demokratiebildung in Verfahren der Qualitätsentwicklung in Kitas: Eine Dokumentenanalyse. Zur Stellung von Partizipation, Kinderrechten, Diversität, Diskriminierungskritik und Inklusion in der kindheitspädagogischen Qualitätslandschaft. Fachstelle Kinderwelten/ISTA (Hrsg.). Unter Mitarbeit von Ayten, Nuran; Surmund, Judith; Mildt, Manuela. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich.

UN-Kinderrechtskonvention (1989): Übereinkommen über die Rechte des Kindes. 20. November 1989. Am 5. April 1992 für Deutschland in Kraft getreten (Bekanntmachung vom 10. Juli 1992 – BGBl. II S. 990). Verfügbar unter: https://www.kinderrechte.de/kinderrechte/un-kinderrechtskonvention-im-wortlaut [22.04.2024].

Wagner, Petra (2022) (Hrsg.): Handbuch Inklusion. Grundlagen vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung. 5. Auflage. Freiburg: Herder.

Wolter, Berit (2021): Demokratiebildung im Bereich Kita in den Bildungsprogrammen der Bundesländer. Rechercheergebnisse. Unter Mitarbeit von Hannah Louisa Schmidt. Fachstelle Kinderwelten/ISTA (Hrsg.). Verfügbar unter: https://situationsansatz.de/wp-content/uploads/2021/11/Recherche_Demokratiebildung_Bundeslaender_Zusammenfassung.pdf [Zugriff: 12.03.2023].


[1] Es werden Grenzen und Limitationen des Vorgehens in der Auswahl der Dokumente deutlich sowie technische Probleme bei der Datenverarbeitung und die begrenzte Kontextsensibilität der automatisierten Schlagwort-suche betont.

Behinderung im Bilderbuch – eine Frage der Repräsentation

| Teresa Vielstädte |

Bilderbücher besitzen eine besondere Bedeutung für die kindlichen Bildungs-, Sozialisations- und Kulturalisierungsprozesse (vgl. Burghardt & Klenk 2016; Thiele 2012). Sie bieten Kindern die Möglichkeit mit gesellschaftlichen Lebensweisen, Normen und Werten in Kontakt zu kommen. Dadurch gewinnen sie erste Vorstellungen und Bilder über das Zusammenleben in der Gesellschaft, womit Bilderbücher die Prozesse der Identitätsfindung unterstützen. Dabei bilden Bücher immer auch gesellschaftliche Realitäten ab, sodass ihn ein besonderer Stellenwert in der Auseinandersetzung mit Lebensweisen und gesellschaftlichen Wert- und Normorientierungen zukommt. Trotz des Anspruchs der Repräsentation von vielfältigen Lebenswelten in Bilderbüchern wurde das Thema ‚Behinderung‘ lange Zeit ausgegrenzt (vgl. Reese 2010). In aktuellen Diskussionen findet sich die Forderung nach einer stärkeren Verknüpfung von Disability Studies und Kinderliteraturwissenschaft, um gesellschaftliche Vorstellungen über Behinderung, Abweichung und Normalität aufzudecken (vgl. Schäfer, Ullmann & Blümer 2012, 61)

Was will das Projekt? Was ist das Phänomen?

Das Thema ‚Behinderung‘ galt lange Zeit als Tabuthema in der Kinderliteratur. Erst seit den 2000er Jahren findet sich ein breiteres Darstellungsspektrum von Behinderung im Kinderbuch. In Kinderbüchern wird das Thema Behinderung aufgegriffen, in dem die verschiedenen Wahrnehmungen und Sichtweisen der als behindert und nicht-behindert geltenden Protagonist*innen dargestellt werden. Dadurch entfalten sich Konstruktionen von Behinderung sowie damit verbundene Vorstellungen von Verhaltens-, Kommunikationsmustern und Praktiken: Wie verhalten sich Menschen mit und ohne Behinderung (in Interaktion)? Wie kommunizieren diese miteinander? Welche Praktiken gelten im Umgang mit Behinderung als gesellschaftlich anerkannt und welche erscheinen als unvereinbar?

Unter Konstruktion von Behinderung kann die gesellschaftliche Bewertung einer Schädigung oder Behinderung verstanden werden. Die Normen, die der Zuschreibung von Behinderung zugrunde liegen, sind nach diesem Verständnis gesellschaftlich oder kulturell bestimmt. Da Normen, Urteile und Kategorien das Ergebnis kommunikativer und sozialer Praktiken sind, wird Behinderung als gesellschaftlich hervorgebracht angesehen (vgl. Kast 2017, 260f.).

Durch Versprachlichung und Bebilderung wird Behinderung erst hervorgebracht, womit diese entweder zur Festschreibung beitragen können oder sich dadurch auch die mit dieser Differenz verknüpften Diskriminierung und Stigmatisierung aufdecken lassen. Diese Überlegungen aufgreifend möchte ich im Rahmen des Blogbeitrags exemplarisch zeigen, wie Behinderung im Kinderbuch konstruiert wird. Welche Vorstellungen, möglicherweise auch Stereotype und Klischees werden wie inszeniert?

Wie bin ich vorgegangen?

Exemplarisch habe ich das Sachbilderbuch „Alle behindert“ ausgewählt, da es zu Beginn der Recherche für den Artikel (vgl. Vielstädte 2022) neu erschienen ist, woraufhin es in verschiedenen Blogformaten durchaus kontrovers diskutiert und rezensiert wurde (vgl. bspw. Kollodzieyski 2020.). Wenn dem Verständnis von Behinderung als Konstruktion gefolgt wird, erfordert eine Bilderbuchanalyse den Fokus auf die Darstellungsweise von Behinderung: Wie wird Behinderung kommunikativ und interaktiv in der Geschichte zum Thema gemacht? Wie wird Behinderung medial dargestellt? Die Fragestellung, wie Behinderung im Kinderbuch dargestellt, verhandelt und konstruiert wird ist sicherlich nicht ganz unproblematisch. Hierdurch wird an der Rekonstruktion der Kategorien Behinderung und Nichtbehinderung mitgewirkt.

Ich habe mich bei der Analyse an einem explorativen Vorgehen orientiert, welches sich grob an den Analysekategorien des fünfdimensionalen Modells der Bilderbuchanalyse nach Dammers/Krichel/Staiger (2022) orientiert. Dabei habe ich die unterschiedlichen im Buch präsentierten Portraits und damit verbundenen ‚Behinderungsbilder‘ vergleichend und kontrastierend in den Blick genommen.

Was ist das Ergebnis?

  Alle behindert wurde von Heinz Klein und Monika Ostberghaus geschrieben und ist als Sachbilderbuch[1] zu klassifizieren, da es auf 25 Doppelseiten „25 spannende und bekannte Beeinträchtigungen in Wort und Bild“ erläutert (Klein & Ostberghaus 2019). Das Buch richtet sich an Kinder ab 5 Jahren. Im Mittelpunkt des Sachbilderbuchs steht eine alltags- und lebensweltliche Strukturierung[2] der Inhalte. Das Buch erinnert in seiner Aufmachung an ein ‚Freundebuch‘. Auch hier zeigt sich nun wieder der alltags- und lebensweltliche Anknüpfungspunkt zur Bearbeitung des Buchthemas Behinderung. Gemäß der sprachlichen Gestaltung eines ‚Freundebuches‘ werden einzelne Begriffe oder stichpunktartige kurze Sätze verwendet. Auf jeder Seite wird mittig eine andere Figur mithilfe einer großen Zeichnung vorgestellt, ringsum finden sich stichpunktartig Informationen zu den jeweiligen Figuren entlang immer gleicher Kategorien (ebd.): „Mag gerne“, „Mag weniger“, „Lieblingssatz“, „Behinderung“, „Spitz- oder Schimpfname“, „Wie oft kommt das vor“, „Geht das wieder weg“ (…).“

  Die Angaben werden teilweise durch kleine Comic-Zeichnungen ergänzt, die alltägliche Situationen der Figuren karikaturartig darstellen. Diese Kategorien sind bereits teilweise auf Behinderungen zugeschnitten. Jede Seite vermittelt das Bild einer fiktionalen Persönlichkeit, die Behinderungserfahrungen gemacht hat. Das Buch bleibt konsequent im Aufbau eines kollektiven „Wir“, indem es am Ende zu eigenen Eintragungen auffordert und klassische Definitionen von Behinderung in Frage stellt. Es fehlt ein zusammenhängender Handlungsstrang, da die Persönlichkeiten individuell präsentiert werden und nicht miteinander interagieren. Die farbenfrohen Illustrationen im Buch sind detailliert und ikonisch. Sie müssen oft zusammen mit dem Text betrachtet werden, um vollständig verstanden zu werden und unterstützen sich gegenseitig in der Charakterdarstellung.

  Die Definition von Behinderung in diesem Buch folgt nicht streng den bekannten Klassifikations- und Definitionsversuchen, wie z.B. in der Behindertenrechtskonvention oder nach ICD-10. Die zugeschriebenen Charaktereigenschaften der Figuren sind veränderbar (z.B. Julien „der Angeber“ oder Paul „der Mitläufer“), im Gegensatz zu langfristigen und gleichbleibenden Beeinträchtigungen, wie es die Behindertenrechtskonvention definiert. Anhand der Analyse zeigt sich, dass nach der im Buch verwendeten Definition von Behinderung keine lebenslange und strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Behinderung explizit mitgedacht bzw. sichtbar gemacht werden.

  Auf den ersten Blick weckt das Buch den Eindruck, als würde es dem Defintionsversuch folgen, dass es nicht per se die Behinderung geben, denn hier werden nicht nur die ‚geläufigen‘ und ‚bekannten‘ Behinderungsbilder wie Trisomie 21, Autismus, Beeinträchtigung des Lernens, Sprechens, Sehens oder Hörens etc. aufgeführt, sondern zur Behinderung werden hier auch „Tussi“, „Mitläufer“, „Außenseiter“, „Dicksein“, „Bildschirmsucht“, „Rüpel“ etc. erklärt. Offenbar orientiert sich die Verwendung des Behinderungsbegriffs hier an Vorstellungen von etwas Negativem, was unerwünscht ist und einer Abweichung von Normalität entspricht (vgl. Dederich 2009, S. 15). Es stellt sich hier die grundsätzliche Frage, wie die Auswahl der Prototypen erfolgt ist. Es fällt auf, dass z.B. gewisse soziale Merkmale wie Armut oder bestimmte Lebenserfahrungen wie Gewalt oder Rassismus nicht als Beeinträchtigung eingestuft werden.

  Durch die fiktiven Vorstellungen einzelner Persönlichkeiten arbeitet das Buch vielmehr die individuellen Ausprägungen der Charaktere heraus. Die dargestellten Informationen repräsentieren rekurrentes Alltagswissen, in denen die subjektiven Kategorisierungslogiken und Normalisierungsvorstellungen auftreten. Auch wenn das Buch durch die Darstellung von Persönlichkeiten wie „dem Rüpel“, „dem Angeber“ und ähnliche versucht, an der Dekategorisierung der Behinderungsdefinition mitzuwirken, verstärkt es in der Darstellung gleichzeitig stereotype Vorstellungen und reproduziert Zuschreibungen. Gesellschaftliche Herausforderungen und Diskriminierungsformen, denen Menschen mit Behinderung ausgesetzt sind bleiben in dem Buch unerwähnt.

   Das Bilderbuch provoziert jedoch durch seine ironische Darstellungsart, dass mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben werden: Wie kann beispielsweise im Bilderbuch Trisomie 21 dargestellt werden, ohne auf stereotype Bebilderungen zurückzugreifen? Warum erleben wir in der Betrachtung eines Buches mit dem Titel Alle behindert das Nebeneinanderstellen von einer „Tussi“ und einem Menschen mit Autismus als ‚No-Go‘? Warum erscheint das In-Verbindung-Setzen von einem „Angeber“ oder einem „Mitläufer“ mit einem Menschen mit Trisomie 21 in der Präsentation von ‚Behinderungserfahrungen‘ als Tabuzone? Warum kommt „Rüpel als Behinderung“ „immer öfter“ (Klein & Ostberghaus 2019, S. 18) vor? Was hat es mit dem Gen bei Trisomie 21 im Detail auf sich?

  In jedem Fall gelingt es dem Buch aufzuzeigen, wie schwer es ist, eine angemessene Sprache und Begriffsverwendung im Diskurs, um Behinderung zu finden. Dabei ist die Rede über Behinderung noch längst nicht barrierefrei (vgl. auch Oetken 2012). Für ein reflexives Inklusionsverständnis (Budde & Hummrich 2014) braucht es allerdings eine Differenzkategorie Behinderung, in der dem Phänomen eingeschriebene Benachteiligungen, Ausgrenzungsmechanismen, gesellschaftliches Wissen und daraus resultierende Effekte und Produkte auch in der Kinderliteratur und in dessen Rezeption erkennbar werden. Dabei stehen analytische Methoden vor der Herausforderung, statt zu einer Dekonstruktion von Differenzen vielmehr zu deren Rekonstruktion beizutragen.

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Insgesamt bleibt das Buch hinter seinen Möglichkeiten zurück, was die kindliche Identitätsfindung sowie das Kennenlernen diverser Lebensweisen und Normorientierungen betrifft. Stattdessen beschränkt es sich in seiner Narration einseitig auf Behinderung als ‚individuellem Defekt‘ oder Normabweichung, wenngleich es sein Verdienst ist, einem breiten Lesepublikum einen niedrigschwelligen Zugang zum Thema durch seine ironisch-witzige Darstellungsweise zu verschaffen. Dabei erhalten Kinder und Erwachsene Einblicke in verbreitetes Alltagswissen und damit zusammenhängende gesellschaftliche Praktiken und Effekte. Dennoch bedarf es beim Einsatz des Buches in privaten Kontexten und pädagogischen Institutionen eines reflektierten Umgangs, der in einen Kommunikations- und Aneignungsprozess zwischen Erwachsenen und Kindern eingebettet ist. Dabei bieten das Buch allerdings einen lohnenden Anlass, um mit Kindern über die verwendeten stereotypen Darstellungen ins Gespräch zu kommen. Die abschließende Frage, ob die angeführten Kategorien mit ihren Eigenschaftsbeschreibungen zum Stigma für Menschen mit Behinderung werden oder nicht, können an erster Stelle nur Betroffene selbst, dann aber auch Rezipierende entscheiden. Dies im Blick zu behalten, gilt sicherlich als eine zentrale Herausforderung, die das Buch an seine Leser*innenschaft stellt.

Literaturverweise

Budde, J. & Hummrich, M. (2014): Reflexive Inklusion. Zeitschrift für Inklusion, 4. Online verfügbar unter: https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/193, Zugriff am 18.02.2020.

Burghardt, L. & Klenk, F. C. (2016): Geschlechterdarstellungen in Bilderbüchern. Eine empirische Analyse. GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 8 (3), 61–80.

Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD) (2020): Definition von Behinderung. Online verfügbar unter: https://www.behindertenrechtskonvention.info/definition-von-behinderung-3121/, Zugriff am 18.02.2020.

Dammers, B., Krichel, A. & Staiger, M. (2022): Das Bilderbuch. Theoretische Grundlagen und analytische Zugänge. Wiesbaden: Springer

Dederich, M. (2009): Behinderung als sozial- und kulturwissenschaftliche Kategorie. In: M. Dederich & W. Jantzen (Hrsg.), Behinderung und Anerkennung (S. 15–39). Stuttgart: Kohlhammer.

Kastl, J.-M. (2017): Einführung in die Soziologie der Behinderung (2. Auflage). Wiesbaden: Springer.

Klein, H. & Ostberghaus, M. (2019): Alle behindert! 25 spannende und bekannte Beeinträchtigungen in Wort und Bild. Leipzig: Klett Kinderbuch Verlag.

Kollodzieyski, T. (2020): Kinderbuch „Alle behindert!“ Inklusion braucht Unterschiede. Online verfügbar unter: https://dieneuenorm.de/kultur/kinderbuch-alle-behindert/, Zugriff am 28.05.2021.

Oetken, M. (2012): b-b-b-barrierefrei? Inszenierungen von Behinderung im Bilderbuch. Kjl&m – Kinder-/Jugendliteratur und Medien in Forschung, Schule und Bibliothek, 66 (3), 34–45.

Reese, I. (2010): Strickmuster und Stereotypen. Die Darstellung von Behinderung im Kinder- und Jugendbuch. JuLit, 1, 3–10.

Schäfer, I., Ullmann, A. & Blümann, A. (2012): Aktuelle Tendenzen zu Krankheit und Behinderung in Kinder- und Jugendliteratur und -medien. Kjl&m – Kinder-/Jugendliteratur und Medien in Forschung, Schule und Bibliothek, 66 (3), 58–63.

Thiele, J. (2012): Das Bilderbuch. In: G. Lange (Hrsg.), Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart. Grundlagen, Gattungen, Medien, Lesesozialisation und Didaktik (S. 217–233). Baltmannsweiler: Schneider.

Wocken, H. (2015): Dekategorisierung. Eine Einladung zur kategorialen Bescheidenheit. Sozialpsychologische Grundlagen und inklusionspädagogische Konsequenzen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 84 (2), 100–112.

Vielstädte, T. (2022): „Alle behindert!“ Zur Konstruktion von Behinderung im Kinderbuch. In: E. Schulze (Hrsg.), Diversität im Kinderbuch: Wie Vielfalt (nicht) vermittelt wird. (S. 88-102) Stuttgart: Kohlhammer.


[1]  Das Sachbilderbuch gehört in die Sparte des Bilderbuches und zeichnet sich besonders durch seine themenspezifische Veranschaulichung in Bild und Text und weniger durch einen fiktionalen Erzählstrang aus (Thiele 2012, S. 222). Das Sachbilderbuch ist als Rubrik Bilderbuch in das Kinderbuchgenre einzuordnen.

[2]  Eine weitere Option wäre an dieser Stelle entsprechend eines Sachbilderbuches der fachkundliche Ausgangspunkt.

Vielfalt vor Ort begegnen – wie geht das eigentlich?

| Barbara Lochner |

Im Modellprojekt „Vielfalt vor Ort begegnen – professioneller Umgang mit Heterogenität in Kindertageseinrichtungen“ wird80 Thüringer Kitas ermöglicht, eigene Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Finanziert wurde das Projekt von 2021 bis 2023 durch Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes (Lochner et al. 2022). Mittlerweile hat das Land Thüringen die Förderung übernommen und sie bis Ende 2025 abgesichert. Es geht darum, dass die Kitas ihre eigenen Herausforderungen in der Wahrnehmung von und Umgang mit Heterogenität erkennen und nach praktikablen Wegen suchen, diesen im Sinne einer inklusiven, diversitätsreflexiven Praxis zu begegnen. Zur Koordination dieses Prozesses gibt es in den Einrichtungen sog. „Steuerungsfachkräfte“, die zusätzlich zum Regelpersonal finanziert werden. Sie werden durch Fachberater:innen und einem Team von Wissenschaftler:innen unterstützt und begleitet.

Was will das Projekt?

Das Zusammenleben und der Alltag in Kindertageseinrichtung ist ein Spiegel der Gesellschaft und damit in gleicher Weise von Diversität und Heterogenität geprägt. Es ist mittlerweile empirisch gut belegt, dass zentrale Differenzlinien wie race*, class, gender oder dis/ability auch in Kindertageseinrichtungen eine Rolle spielen, die Entwicklung der Identitäten von Kindern prägen und den „Zugang zu bedeutenden gesellschaftlichen Gütern wie (…) Bildung“ (Kuhn 2021) steuern. Um das Zusammenleben in institutionellen Gemeinschaften inklusiv und diversitätssensibel zu gestalten, sind Reflexionen und Veränderungen auf Struktur-, Orientierungs- und Interaktionsebene notwendig. Zum einen geht es darum, den vielfältigen Voraussetzungen, Interessen und Bedürfnissen der Kinder angemessen zu begegnen und ihnen im Sinne einer solidarischen Gemeinschaft Raum zu geben. Zum anderen ist es Teil des frühpädagogischen Bildungsauftrags Kinder für den Umgang mit Vielfalt zu befähigen.

Die Kitas sind im Modellprojekt aufgefordert, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Aufgrund unterschiedlicher sozialstruktureller Gegebenheiten, organisationaler Rahmenbedingungen und fachlicher Schwerpunktsetzungen sind seit 2021 vielfältige Projekte in den Einrichtungen entstanden. Die begleitende Evaluation zeigt, dass bislang insbesondere die Zusammenarbeit mit und die Unterstützung von Kindern und Familien mit sog. ‚Migrationshintergrund‘, nicht-deutscher Familiensprache und/oder sozioökonomischen Belastungen im Fokus der Auseinandersetzung standen. Neben konkreten Maßnahmen (etwa dem Etablieren eines Elterncafés oder von Kita-Sozialarbeit) geht es um die Entwicklung einer reflexiven Haltung und diversitätssensibler Interaktionskompetenz – auch um dem Risiko zu begegnen, durch neue Formate und Angebote Zuweisungs- und Otheringpraktiken[1] zu reproduzieren, Ungleichheiten zu verstärken und das Potenzial von Kindertageseinrichtungen als „gesellschaftliches Allgemeinangebot“ (Thole 2012, S. 56) zu schwächen.

Aufgabe der wissenschaftlichen Begleitung ist es, die konkreten Herausforderungen vor Ort in ihrer Komplexität auszuleuchten und fachliche Unterstützungs- und Reflexionsangebote zu entwickeln, welche die diversitätsreflexive Handlungskompetenz stärken. Hierfür werden Räume geschaffen, die Perspektiverweiterungen und Reflexionen ermöglichen.

Wie sind wir vorgegangen?

Das Team der FH Erfurt begleitet den Projektprozess forschend, führt ein inhaltliches Monitoring durch und hält Fortbildungs- und Vernetzungsangebote für die Praktiker:innen und Fachberater:innen vor. Sie orientiert sich dabei an der Idee der „dialogischen Wissenstransformation“ (Blatter & Schelle 2022; Junk & Wutzler 2023). Begleitmaßnahmen sind demnach so angelegt, dass Wissensbildung und Weiterentwicklung im Dialog der wissenschaftlichen und fachpraktischen (sowie ggf. weiterer) Akteur:innen erfolgen. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass „wissenschaftliche Erkenntnisse die Praxis (…) über eine eigenständige Rezeption durch die Praktikerinnen und Praktiker“ (Blatter und Schelle 2022, S. 18) erreichen müssen, geht es darum, einen Transformationsraum zu schaffen, der die Entstehung „neuen Wissens“ im aktiven Austausch und der Vernetzung der unterschiedlichen Akteur:innen ermöglicht.

 Im Rahmen von Forschung und Monitoring ging es in der ersten Projektphase (bis Mai 2023) vor allem um folgende Ziele:

  • Mit Hilfe von ethnografisch orientierten Hospitationen in den Einrichtungen und einer standardisierten Online-Befragung zu Beginn des Projekts wurde das Ziel verfolgt, die Ausgangslage zu dokumentieren, ein Verständnis für die Herausforderungen der Praxis zu entwickeln und herauszufinden, welche Unterstützungsbedarfe die Einrichtungen und Fachkräfte sehen.
  • Insbesondere auf Basis der ethnografisch orientierten Hospitationen und den daraus entstandenen Beobachtungsprotokollen, wurde eine Fallvignette entwickelt, die als Gesprächsimpuls für Gruppendiskussionen mit den Steuerungsfachkräften der Einrichtungen und den Fachberater:innen dient und im Weiteren als Fortbildungsmaterial eingesetzt wird. Mit den Gruppendiskussionen wurden Orientierungen, strukturähnliche Erfahrungen und Umgangsweisen mit gegenstandsimmanenten Spannungsfeldern in der Auseinandersetzung mit Diversität erfasst. 
  • Gegen Ende der ersten Projektphase (im Winter 2022/23) wurden der Projektverlauf, die Erfolge und Herausforderungen auf Basis evaluativer Gruppendiskussionen und einer weiteren standardisierten Online-Befragung in den Einrichtungen evaluiert.

Eine Grundidee war, dass durch das Zusammenspiel von forschenden, dialogisch ausgerichteten und fortbildenden Zusammenkünften praxisnahe Möglichkeiten der Perspektiverweiterung und Reflexion eröffnet werden. Bei den Beobachtungen der Wissenschaftler:innen im Rahmen der ethnografisch orientierten Hospitationen ging es etwa darum, gegenstandsimmanente Spannungsfelder in den Deutungs- und Handlungsweisen herauszuarbeiten und diese in eine Fallvignette zu transportieren, die diese Erkenntnisse nicht nur verdichtet aufgreift, sondern die Ausgangssituationen auch so verfremdet, dass sich beteiligte Fachkräfte nicht bloßgestellt fühlen, wenn sie als Teilnehmende der Gruppendiskussion auf die Vignette stoßen. Bei den Gruppendiskussionen handelte es sich dann um Reflexionen der Steuerungsfachkräfte und Fachberater:innen, die sich – vermittelt durch die Fallvignette – auf die Wahrnehmungen der Fachkräfte im Feld sowie auf die Beobachtung dieser Fachkräfte durch die Wissenschaftler:innen richteten. Auf diese Weise wurden sowohl Einordnungen der pädagogischen Praxis (was sind die Handlungsprobleme, die in der Fallvignette sichtbar werden?), Annahmen zu externen Wahrnehmungen (welche Zuschreibungen sind in der so konstruierten Fallvignette enthalten?) sowie Orientierungen und Deutungsweisen der Diskutant:innen (wie werden die Handlungsprobleme wahrgenommen und diskutiert?) der Analyse zugänglich. Der Raum der Fortbildungen bot im Anschluss daran die Möglichkeit, die unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Deutungsebenen aufzugreifen und gemeinsam zu bearbeiten.

Was sind bisherige Ergebnisse des Projekts?

Aufgrund der unterschiedlichen Forschungsstränge und -ebenen kann an dieser Stelle nur ein kleiner Ausschnitt dargestellt werden, der an das oben skizzierte Interesse der Vermittlung unterschiedlicher Perspektiven und Wahrnehmungen anknüpft.

Als relevante Themen in Bezug auf eine diversitätsreflexive Interaktionspraxis wurden auf Basis der ethnografischen Hospitationen

  • der Umgang mit Artefakten (insbesondere sog. „Vielfaltsmaterialien“),
  • das Verhältnis von Repräsentation und Besonderung (im Umgang mit Materialien und Personen),
  • die Wahrnehmung und Einordnung von Diskriminierung (z. B. als pädagogisches Problem oder „Effekt gesellschaftlicher Einteilung“ (Scheer 2011, S. 36),
  • das Zusammenspiel von Ausgrenzung und Kindbild (Verhältnis von Vulnerabilität und Akteur:innenstatus des Kindes als Ausgangspunkt pädagogischer Interventionen) sowie
  • Fragen der Teamkultur und kollegialer Kritik herausgearbeitet (Verhältnis von kollegialer Intervention und Reflexion). 

Diese Themen wurden in die o. g. Fallvignette überführt, die als verfremdete dichte Beschreibung verstanden werden kann. Sie wurde in zwei Fassungen erstellt, die sich lediglich durch den Namen der zweiten Fachkraft (Frau Ismael/Frau Meier) unterscheiden. Achtmal wurde die Vignette „Meier“ und sechsmal die Vignette „Ismael“ in den Gruppendiskussionen genutzt. Die Veränderung der Namen sollte eine weitere Ebene der Differenz hinzufügen und stellte die Vergleichbarkeit der Diskussionen über diesen Unterschied her.

Als bedeutsam haben sich in der bisherigen Auswertung der Gruppendiskussionen u. a. folgende Aspekte erwiesen:

  • In fast allen Gruppendiskussionen besteht bei den Diskutant:innen zunächst ein hohes Bedürfnis sich vom Handeln der Fachkräfte in der Fallvignette abzugrenzen. Spätere Konklusionen zu Frau Schütz lassen sich überwiegend mit der Formel „gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“ (VGD 12, Ihln, Z. 39) zusammenfassen. Daraus werden mitunter eigene Handlungsaufträge als Steuerungsfachkräfte bzw. Fachberater:innen abgeleitet, die sich um die Förderung einer Fehler- und Kritikkultur im Team und um pädagogisch-didaktische Kompetenz drehen. Diese handlungsorientierte Bewertung lenkt den Blick auf praktische Handlungs- und Veränderungsbedarfe, überspringt jedoch den Schritt einer präzisen Analyse der Strukturlogiken, die dem Handeln, das als fehlerhaft wahrgenommen wird, zugrunde liegen.
  • Die Deutungen des Handelns der zweiten Fachkraft variieren in einer Weise, die eine Verbindung mit der jeweiligen Namensgebung sehr nahelegen (vgl. u. a. Kleen & Glock 2020). Heißt sie Fr. Ismael wird ihr Handeln häufiger in den Blick genommen und tendenziell kompetenter eingeordnet als bei Fr. Meier. Es deutet sich an, dass Fr. Ismael als „Experten für Othering- und Rassismuserfahrungen“ (Akbaş 2017, S. 377) positioniert wird. Zugleich werden Beschränkungen der Handlungsmöglichkeiten (als „Neue“, die möglicherweise eine eigene Migrationsgeschichte hat) deutlicher aufgerufen als bei Frau Meier. Diese wiederum wird stärker als Repräsentantin der Fachgemeinschaft positioniert. Sie scheint ein höheres Identifikationspotenzial zu bieten, was auch dazu führt, dass sie stärker kritisiert wird.
  • Als intersubjektiv anschlussfähiger Gesprächsmodus erweist sich vor allem eine pädagogisch-didaktische Inblicknahme der Fallvignette. Dies ist einerseits mit Blick auf den Gesprächsrahmen (die Teilnehmenden kennen sich nicht alle, die Gruppendiskussionen finden pandemiebedingt digital statt) erklärlich: Der gemeinsame Bezugspunkt ist die pädagogische Beruflichkeit. Zugleich verstellt dieser Modus mitunter den Blick auf Diskriminierungspraktiken, weil er zu begünstigen scheint, Konflikte als situierte pädagogische Probleme zu interpretieren, ohne sie ins Verhältnis zu gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen zu setzen.       

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Deutlich wird im Projekt nicht nur die hohe Bedeutung von Reflexionsräumen für die strukturierte Auseinandersetzung mit den Fallstricken und Bedingungen einer diversitätsreflexiven Praxis. Es deutet sich vor allem an, wie notwendig es ist, konsequent folgende Prämissen von Reflexionsprozessen zu beleuchten und zu hinterfragen:

  • In den Gruppendiskussionen zeigt sich z. B. erstens, dass die Auseinandersetzung sehr stark davon beeinflusst wird, ob die Situation als „echt“ eingeordnet und damit als relevant für die eigene Praxis zugelassen wird. Möglicherweise fungieren solche Distanzierungen als Selbstschutz gegen eine (schmerzhafte) Auseinandersetzung mit der eigenen Involviertheit in gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Zugleich zeigt sich in unseren Daten, dass die Anerkennung von Authentizität die Nähe zum Gegenstand erhöht.
  • Es zeigt sich zweitens die Bedeutung kasuistischer Kompetenz in der Auseinandersetzung mit Situationen. Sie erlaubt, den Strukturlogiken des Handelns nachzugehen und damit die Ebene der Bewertung oder des affirmativen Verständnisses zu verlassen. Das schnelle Bewerten behindert den Blick auf die strukturellen Bedingungen der Praxis und begünstigt einen individualisierenden Umgang mit Handlungsproblemen.
  • Schließlich zeigt sich drittens, wie schwierig es ist, sich von impliziten Annahmen zur sozialen Positioniertheit von Personen in der Einordnung von Vorgängen und Praktiken zu lösen (von Heyden & Zeltwanger 2023; Lochner & Rehklau 2023). Eine Möglichkeit wäre ggf. sozialstrukturelle Kontexte (Alter, Geschlecht, Herkunft), die mit dem Namen transportiert werden, in Fallreflexionen zu verfremden oder durch Anonymisierungen zu entfernen (vgl. Lochner 2017), um methodische Kontrolle über implizite Ordnungen der Differenz, die den eigenen Reflexionsprozess beeinflussen, zu erlangen.  

Literaturverweise

Akbaş, B. (2017). Von Sprachdefiziten und anderen Mythen. Eine Studie zum Nicht-Verbleib von Elementarpädagoginnen und -pädagogen mit Migrationshintergrund. Wiesbaden: Springer.

Blatter, K. & Schelle, R. (2022). Transfer in der Frühpädagogik als Wissenstransformation. Theoretische Verortung und Handlungsfelder. In: Weltzien, D., Wadepohl, H., Cloos, P., Friedrich, T. & Schelle, R. (Hrsg.): Transfer in der Frühpädagogik. Freiburg i. Br.: FEL, S. 21-50.

Kleen, H. & Glock, S. (2020). Sag’ mir, wie du heißt, dann sage ich dir, wie du bist: Eine Untersuchung von Vornamen. In: Glock,S. &  Kleen, H. (Hrsg.): Stereotype in der Schule. Wiesbaden: Springer VS, S. 99–131.

Junk, D. & Wutzler, M. (2023). Dialogischer Wissenstransfer in der frühen Bildung: Kindergärten als Orte diversitätssensibler Pädagogik gestalten. In: Hoffmann, M. et al. (Hrsg.): RAUM MACHT. INKLUSION. Inklusive Räume entwickeln und erforschen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S.310–318.

Lochner, B. (2017). „Kevin kann einfach auch nicht Paul heißen“ Methodologische Überlegungen zur Anonymisierung von Namen. In: ZQF – Zeitschrift für Qualitative Forschung 2017 (18 (2), S. 283–296.

Lochner, B., Rehklau, C. (2023). Heterogenitätsreflexive Interaktionsgestaltung als Herausforderung. Sozial Extra, 47, 28–30. (Open Access).

Lochner, B., Wutzler, M., Rißmann, M., Rehklau, C. (2022). „Vielfalt vor Ort begegnen“ – wissenschaftliche Begleitung eines Modellprojekts zum professionellen Umgang mit Heterogenität in Kindertageseinrichtungen in Thüringen (WisBeV). Soziale Passagen, 14, 201–207 (Open Access).

von Heyden, N. & Zeltwanger, S. (2023). Rassismus? So was gibt es bei uns nicht! Dethematisierung von Rassismuserfahrungen im Kita-Alltag und Räume für einen offenen Dialog. Sozial Extra, 47, 36–40 (Open Access).


[1] D.h. Ausgrenzung durch Benennung zu fördern.

Antisemitismus in der Kita? Einblicke in ein Forschungsprojekt zu Differenzkonstruktionen unter jungen Kindern

| Benjamin Rensch-Kruse, Saba-Nur Cheema & Yasmine Goldhorn |

Einleitung

Antisemitismus ist in Deutschland ein gesellschaftlich breit debattiertes und empirisch gut erforschtes Phänomen. Insbesondere in den letzten Jahren sind zahlreiche Studien und Beiträge entstanden, die Judenfeindschaft im Erziehungs- und Bildungssektor untersuchen bzw. problematisieren (vgl. exempl. Bernstein/Grimm/Müller 2022; Bernstein 2020; Grimm/Müller 2020). Im Bereich der frühen Kindheit wurde Antisemitismus als Forschungsgegenstand bisher jedoch schlichtweg ausgespart. Während unlängst pädagogisch-programmatische Arbeiten erschienen sind, die Antisemitismus in Kindertagesstätten thematisieren und die Notwendigkeit einer frühestmöglichen Prävention diskutieren (vgl. Kölsch-Bunzen 2023, 2022), existieren in Bezug auf die Frage, wie und inwiefern Antisemitismen in der frühen Kindheit eine Rolle spielen, noch keine empirischen Erkenntnisse. Hier klafft eine beachtliche Forschungslücke (vgl. Rensch-Kruse et al. 2023).

Dies ist aus zweierlei Gründen erstaunlich: Einerseits gilt die frühe Kindheit als basale Lebensphase für spätere Entwicklungen, in der erzieherische Einwirkungen als richtungsweisend betrachtet werden (vgl. exempl. Fried et al. 2003, S. 7 f.). Andererseits kann diskriminierenden bzw. Differenz herstellenden Verhaltensweisen in pädagogischen Verhältnissen nur dann frühzeitig begegnet werden, wenn sie als solche erkannt und verstanden werden. Hierzu bedarf es der Forschung, d.h. der Beobachtung, Beschreibung, Interpretation und Kritik der vorhandenen (pädagogischen) Diskurse und Praktiken sowie der Einschätzung ihrer Effekte (vgl. Diehm/Radtke 1999, S. 14). Ohne grundlegende Forschung in Einrichtungen der frühen Kindheit gibt es mit Blick auf Antisemitismusprävention praktisch keine Anhaltspunkte, an die pädagogisches Handeln anschließen könnte.

Das an der Goethe-Universität Frankfurt angesiedelte und unter der Leitung von Isabell Diehm († 2023) begonnene Teilprojekt ‚Antisemitismus unter jungen Kindern. Differenzkonstruktionen im Vor- und Grundschulalter (Relcodiff_ungesteuert)‘[1] stößt in die genannte Forschungslücke vor und untersucht antisemitische Differenzierungspraktiken unter jungen Kindern in Kindertagesstätten (Kita). Der folgende Beitrag gibt temporäre Einblicke in das Forschungsprojekt und präsentiert kursorisch erste Felderkenntnisse.

Vorgeschichte

Das Anliegen, Antisemitismus unter jungen Kindern zu untersuchen, hat eine längere Vorgeschichte. Isabell Diehm hat in ihrer umfassenden Forschung zu Differenzkonstruktionen im Kontext der frühen Kindheit immer wieder festgestellt, dass das Thema ‚Antisemitismus‘ weder in der sozialwissenschaftlichen noch in der erziehungswissenschaftlichen Kindheitsforschung vorkommt. Aus dieser ersten Feststellung sind über einen längeren Zeitraum das Interesse und der Wunsch erwachsen, eingehender der Frage nachzugehen, wie Antisemitismen im elementarpädagogischen Bereich zu erforschen wären und inwieweit Judenfeindschaft dort überhaupt vorkommt. Genauer gefragt: Inwiefern eignen sich Kinder antisemitische Haltungen und Anschauungen an und wie gebrauchen sie diese in ihrem Alltag?

Diese Frage hat Isabell Diehm nicht losgelassen und ihr empirisch beizukommen war ihr eine Herzensangelegenheit. Auf der Grundlage ihrer Beobachtungen, ihres Engagements und ihrer Initiative ist schließlich u.a. das hier zur Präsentation stehende Teilprojekt hervorgegangen, in dem wir mit Isabell Diehm bis zuletzt geforscht haben und in dem wir nun in ihrem Andenken weiterforschen.

Was will das Projekt/ Was ist das Phänomen?

Im Mittelpunkt der Forschung stehen (antisemitische) Differenzkonstruktionen unter Kindern in der Kita und die Frage, inwiefern sie auf judenfeindliche Unterscheidungsweisen Bezug nehmen, wie sie diese (re)produzieren und in alltäglichen Interaktionen anwenden. Von Interesse sind damit kindliche (diskursive) Praktiken des Differenzierens, die auf eine „antisemitische Semantik“ (Holz/Haury 2021, S. 21) hin untersucht werden. Antisemitismus[2] erfüllt eine das Wissen ordnende und damit die Wahrnehmung der Welt strukturierende Funktion. Antisemitische Wissensordnungen[3] beeinflussen, wie wir die Welt sehen, d.h. wie wir denken, sprechen und handeln.

Antisemitismus als Differenzkonstruktion zeigt sich wandelbar und die Frage, wie antisemitische Wissensordnungen unter jungen Kindern verhandelt und angewandt werden, kann insofern nur kontextabhängig und situationsspezifisch rekonstruiert werden (vgl. Rensch-Kruse et al. 2023). Da sich aufgeführte Praktiken des Unterscheidens i.d.R. nicht auf eine bestimmte Differenzkategorie beschränken lassen, sondern mehrere Differenzkonstruktionen im Spiel sind, wird der Fokus nicht ausschließlich auf antisemitische Unterscheidungsweisen gerichtet. Stattdessen wird ein offener Ansatz verfolgt, der von einer grundsätzlichen Wechselwirkung bzw. Intersektionalität im Kontext von Differenzkonstruktionen unter jungen Kindern ausgeht (vgl. Bak/Machold 2022).

Kurz gesagt: Es werden zwar ausdrücklich antisemitische Wissensordnungen und ihre Aufführung in (diskursiven) Praktiken in den Blick genommen, aber auch weitere Konstruktionen, die bspw. rassialisierende, religionsbegründete, kulturelle und nationale Unterscheidungen betreffen, können vom Datenmaterial ausgehend Gegenstand der Untersuchung sein.

Wie sind wir vorgegangen?

Um Zugang zu möglichen (antisemitischen) Praktiken des Differenzierens in Kitas[4] zu bekommen, haben wir uns für ein ethnographisches Vorgehen entschieden, das sich im Kitakontext bereits als fruchtbare Herangehensweise erwiesen hat (vgl. exempl. Machold 2015; Kuhn 2013). Dabei greifen wir auf Arbeiten der erziehungswissenschaftlichen Kindheitsforschung zurück, die wichtige Erkenntnisse für die Erforschung antisemitischer Unterscheidungspraktiken bereitstellen (vgl. Rensch-Kruse et al. 2023). Neben teilnehmenden Beobachtungen veranstalten wir videogestützte Gruppengespräche[5] mit Kindern zwischen vier und acht Jahren. Darüber hinaus führen wir leitfadengestützte Interviews mit pädagogischen Fachkräften, Kitaleitungen und Eltern.[6] Während uns die teilnehmenden Beobachtungen und Gruppengespräche Einblicke in interaktive kindliche Verhaltens- und Sprechweisen geben, ermöglichen uns die Interviews kontrastive Eindrücke in Erwachsenensichtweisen. Von der so herbeigeführten Möglichkeit, kindliche Praktiken des Differenzierens mit Erwachsenenperspektiven in Relation zu setzten, versprechen wir uns aufschlussreiche Erkenntnisse über die Art und Weise der Wahrnehmung und Zirkulation antisemitischer Wissensordnungen im jeweiligen Kitakontext.

Im Gegensatz zu den Erwachseneninterviews, wird das Thema Judenfeindschaft im Kontext der teilnehmenden Beobachtungen und Gruppengespräche von unserer Seite nicht explizit gemacht. Im Kontakt mit den Kindern kommen Kinderbücher, Bilder und Handpuppen zum Einsatz, die religiöse Symbole, wie bspw. eine Synagoge, einen Davidsstern oder eine Kippa zeigen bzw. tragen. In den Gruppengesprächen werden die Kinder zunächst aufgefordert zu beschreiben, was sie sehen. Erst auf dieser Grundlage werden sodann Gespräche initiiert. Mit diesem Vorgehen soll einerseits erreicht werden, dass Aussagen und Handlungen nicht durch eine direkte Konfrontation mit dem Forschungsthema hervorgelockt werden, sondern dass es vielmehr den Kindern überlassen bleibt, welche Assoziationen die präsentierten Materialien bei ihnen hervorrufen. Andererseits soll damit berücksichtigt werden, dass eine zu starke thematische Setzung eine Reifizierung von Differenz begünstigt (vgl. Diehm/Kuhn/Machold 2010).

Wird Judenfeindschaft offensiv thematisiert, so kann das bedeuten, die Kinder aus einer Erwachsenenperspektive mit etwas zu konfrontieren, dass sie selbst noch gar nicht kennen bzw. dessen Bedeutung ihnen noch gar nicht bewusst ist. Es geht uns darum, antisemitischen Differenzkonstruktionen unter Kindern nachzuspüren und dabei zu reflektieren, dass dieses Nachspüren-Wollen selbst Differenz(ierung)en hervorbringt. Die Arbeit mit den genannten Materialien bietet eine Möglichkeit, von den Vorstellungen der Kinder ausgehend den Forscher:innenblick auf entsprechende Unterscheidungen zu richten.

Was sind bisherige Ergebnisse?

Eine erste Durchsicht der leitfadengestützten Interviews fördert zutage, dass pädagogische Fachkräfte, Kitaleitungen und Eltern das Thema ‚Antisemitismus‘ prinzipiell nicht im Kitakontext verorten und entsprechend auch nicht über judenfeindliche Vorkommnisse in der Kita berichten. Neben Aussagen, die darauf hinweisen, dass Antisemitismus unter jungen Kindern kaum bis gar nicht vorstellbar ist („Kinder grenzen noch nicht so aus; Kinder sind eher offen“) bzw. schlichtweg nicht vorkommt („Gar nicht. Also, da habe ich nichts von gehört“; „Ist überhaupt kein Thema hier“; „Ne, fällt mir jetzt direkt nicht ein“) lassen sich Bemerkungen finden, die die Abwesenheit judenfeindlicher Vorkommnisse an das vermeintlich fehlende Vorhandensein jüdischer Kinder knüpfen („Jüdische Kinder haben wir glaube ich gar nicht“).

Dabei fällt auf, dass viele der Interviewten nicht sicher sagen können, ob es überhaupt jüdische Kinder in der jeweiligen Einrichtung gibt. Hier lässt sich Unsichtbarkeit auf Seiten der Kinder und Unsicherheit auf Seiten der Erwachsenen feststellen. Während die Vorstellung, dass Antisemitismus in der Kita aufgrund des jungen Alters der Kinder nicht vorkäme, auf den Topos des ‚unschuldigen Kindes‘ (vgl. Bühler-Niederberger 2005) verweist, kann die gängige Praktik, Judenfeindschaft an jüdische Präsenz zu binden, auf fehlendes Wissen über Antisemitismus zurückgeführt werden.[7] Ohne an dieser Stelle genauer auf die Ergebnisse eingehen zu können, kann in Bezug auf die Frage, wie Antisemitismus im Kitakontext von Seiten der Erwachsenen thematisiert wird, von einer ‚Dethematisierung‘ gesprochen werden. Die überwiegende Zahl der Interviewten geht davon aus, dass Kinder weder über antisemitisches Wissen verfügen, noch dass Judenfeindschaft in der Kita vorkommt.

Dies steht in einem eklatanten Widerspruch zu den Erkenntnissen, die wir während der teilnehmenden Beobachtungen und Gruppengespräche unter den Kindern gemacht haben. So hat sich gezeigt, dass bereits junge Kinder Jüdinnen und Juden als solche identifizieren und in einzelnen Fällen mit Begriffen beschreiben, die antisemitischen Wissensordnungen entstammen. In der Auseinandersetzung mit den Kinderbüchern, Bildern und Handpuppen sind Jüdinnen und Juden von manchen Kindern als ‚reich‘, ‚wohlhabend‘ und ‚böse‘ adressiert worden. Auch phänotypische Merkmale, wie bspw. die Zuschreibung einer ‚großen Nase‘, wurden benannt.

Dabei ist es wichtig hervorzuheben, dass die Kinder die von ihnen getätigten Aussagen i.d.R. nicht begründen können und offenbar nur über wenig bis gar kein Kontextwissen verfügen. So inkonsistent und unvermittelt, wie die Aussagen kommen, so sprunghaft und aus dem Zusammenhang gerissen erscheint die Argumentation. Einen siebenjährigen Jungen gefragt, woher er wisse, dass Jüdinnen und Juden „ekelhaft“ und „gefährlich“ seien, gibt uns dieser zur Antwort: „ich weiß es selbst einfach. Ich hab nur nachgedacht“. Junge Kinder verfügen noch nicht über ein gefestigtes weltanschauliches Repertoire, auf das sie bewusst zurückgreifen. Sie sprechen aus, was ihnen in den Sinn kommt, was ihnen in der jeweiligen Situation nutzt, womit sie Aufmerksamkeit erregen und zeigen können, was sie wissen. Obgleich sie die Herkunft und Bedeutung einer getätigten Aussage nicht immer erklären können, verstehen sie doch sehr gut, dass ihr Handeln etwas bewirkt.

Was kann das für die pädagogische Praxis bedeuten?

Das vorgestellte Forschungsprojekt untersucht Antisemitismus in Einrichtungen der frühen Kindheit und stößt damit in eine sowohl in der Antisemitismusforschung als auch der erziehungswissenschaftlichen Kindheitsforschung klaffende Forschungslücke vor. Die bisherigen empirischen Erkenntnisse verweisen auf eine Dethematisierung von Antisemitismus im Kitakontext, die in deutlichem Widerspruch zu den im Feld beobachteten kindlichen Praktiken des Unterscheidens stehen. Antisemitische Wissensordnungen werden von Kindern in der Kita (re)produziert und angewandt. Mit Blick auf die pädagogische Praxis stellen sich u.E. damit folgende Fragen:

  • Inwiefern handelt es sich bzgl. der genannten Dethematisierung um ein strukturelles Problem, das auf fehlende Professionalisierungsformate und institutionelle Mechanismen zurückzuführen ist? Nur wenn über das individuelle Engagement einzelner Pädagog:innen hinaus auch auf institutioneller Ebene durchdringt, dass Judenfeindschaft bereits in der frühen Kindheit virulent ist, können weitreichende Maßnahmen ergriffen werden, die Antisemitismusprävention in Einrichtungen der frühen Kindheit fördern.
  • Wie lässt sich mit antisemitischen Differenzierungspraktiken unter jungen Kindern adäquat umgehen, wenn sie die inhaltliche Tragweite ihres Handelns noch nicht begreifen? Genauer gefragt: Wie kann mit jungen Kindern über Antisemitismus auf eine Weise gesprochen werden, die (be)schützt, erklärtund wenn nötig auch deutliche Grenzen aufzeigt?

Mit unserem Forschungsprojekt hoffen wir nicht zuletzt dazu beizutragen, dass diese und weitere Fragen Eingang in die pädagogische Praxis finden.

Literatur

Bak, R., Machold, C. (2022): Kindheit und Kindheitsforschung intersektional denken. Eine Suchbewegung. In: R. Bak & C. Machold (Hrsg.): Kindheit und Kindheitsforschung intersektional denken. Theoretische, empirische und praktische Zugänge im Kontext von Bildung und Erziehung. Wiesbaden: Springer VS, S. 1-19.

Bernstein, J. (2020): Antisemitismus an Schulen in Deutschland: Befunde – Analysen – Handlungsoptionen. Weinheim & Basel: Beltz Juventa.

Bernstein, J., Grimm, M., Müller, S. (Hrsg.) (2022): Schule als Spiegel der Gesellschaft. Antisemitismen erkennen und handeln. Frankfurt a. M.: Wochenschau Verlag.

Bühler-Niederberger, D. (Hrsg.) (2005): Macht der Unschuld: Das Kind als Chiffre. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Diehm, I., Kuhn, M., Machold, C. (2010): Die Schwierigkeit, ethnische Differenz durch Forschung nicht zu reifizieren – Ethnographie im Kindergarten. In: A. Panagiotopoulou & F. Heinzel (Hrsg.): Qualitative Bildungsforschung im Elementar- und Primarbereich. Bedingungen und Kontexte kindlicher Lern- und Entwicklungsprozesse. Baltmannsweiler: Schneider Verlag, S. 78-92.

Diehm, I., Radtke, F.-O. (1999): Erziehung und Migration. Eine Einführung. Stuttgart. Kohlhammer.

Fried, L., Dippelhofer-Stiem, B., Honig, M.-S., Liegle, L. (2003): Einleitung. In: L. Fried, B. Dippelhofer-Stiem, M.-S. Honig & L. Liegle (Hrsg.): Einführung in die Pädagogik der frühen Kindheit. Weinheim, Basel & Berlin: Beltz, S. 7-13.

Grimm, M., Müller, S. (Hrsg.) (2020): Bildung gegen Antisemitismus. Spannungsfelder der Aufklärung. Frankfurt a. M.: Wochenschau Verlag.

Holz, K., Haury, T. (2021): Antisemitismus gegen Israel. Hamburg: Hamburger Edition.

Kölsch-Bunzen, N. (2023): Kindertageseinrichtungen gegen Antisemitismus. Aus guten Geschichten lernen. Weinheim & Basel: Beltz Juventa.

Kölsch-Bunzen, N. (2022): Gut aufgestellt gegen Antisemitismus? Die Förderung von Antisemitismusprävention in Kindertagesstätten und Schulen durch Kinderbibeln, Kinderkorane und Schulbücher. Weinheim & Basel: Beltz Juventa.

Kuhn, M. (2013): Professionalität im Kindergarten. Eine ethnographische Studie zur Elementarpädagogik in der Migrationsgesellschaft. Wiesbaden: Springer VS.

Lendvai, P (1972): Antisemitismus ohne Juden. Entwicklungen und Tendenzen in Osteuropa. Wien. Europaverlag.

Machold, C. (2015): Kinder und Differenz. Eine ethnografische Studie im elementarpädagogischen Kontext. Wiesbaden: Springer VS.

Rensch-Kruse, B., Cheema, S.-N., Goldhorn, Y., Diehm, I. (2023): Antisemitismus unter jungen Kindern. Forschungsgrundlagen und -reflexionen im Kontext einer Differenzforschung in Einrichtungen der frühen Kindheit. In: E. Ilgün-Birhimeoğlu & S. Bostancı (Hrsg.): Elementarpädagogik in der Migrationsgesellschaft. Theoretische und empirische Zugänge zu einer rassismuskritischen Pädagogik. Weinheim & Basel: Beltz Juventa. i.E.

Reckwitz, A. (2012): Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.


[1] Das Teilprojekt ist eines von drei Teilprojekten des vom BMBF geförderten Verbundprojekts ‚Antisemitismus in pädagogischen Kontexten. Religiös codierte Differenzkonstruktionen in der frühen und mittleren Kindheit (RelcoDiff)‘. Genauere Infos unter www.relcodiff.uni-frankfurt.de

[2] Ohne den Begriff und seine unterschiedlichen Definitionen und Ausprägungen an dieser Stelle eingehend diskutieren zu können, verstehen wir unter ‚Antisemitismus‘ eine Sammelbezeichnung für Diskurse und Praktiken, die als ‚Juden‘ bzw. ‚jüdisch‘ wahrgenommene Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen aufgrund eines mit bestimmten negativen Eigenschaften festgeschriebenen ‚jüdisch-Seins‘ abwerten und/oder anfeinden.

[3] ‚Wissensordnungen‘ werden im Anschluss an Andreas Reckwitz (2012, S. 146) als kollektive „Sinnmuster“ verstanden, die „das ‚Verstehen‘ der Umwelt und Welt anleiten“.

[4] Wir forschen in insgesamt vier Kindertagesstätten einer deutschen Großstadt.

[5] Wir sprechen bewusst nicht von Gruppendiskussionen, weil unter den Kindern zumeist kein wechselseitiger Austausch von Argumenten über ein bestimmtes Thema stattfindet, sondern ein offener mitunter sprunghafter Gedankenaustausch, in den die Forscher:innen nolens volens involviert sind, und der durch (Nach-)Fragen, Erklärungen, Behauptungen, inhaltliche Abschweifungen und kindliche Impulsivität gekennzeichnet ist.

[6] Bisher haben wir 19 Interviews geführt.

[7] Paul Lendvai (1972) hat bereits Anfang der 1970er Jahre auf das Phänomen eines „Antisemitismus ohne Juden“ aufmerksam gemacht.

„Ich spüre, dass diese Beobachtung eigene biografische Erlebnisse hervorruft…“ (Auto)Ethnografische Reflexionspotenziale am Beispiel neu-materialistischer Kindheitsforschung zu Akteur:innenschaft und Partizipation

| Jan-Niclas Peeters |

Einleitung

Verbunden mit dem Anliegen einer Exploration frühpädagogischer Felder konstatiert Neumann (2013) bereits vor einem Jahrzehnt einen Bedeutungszuwachs ethnografischer Zugänge innerhalb der Kindheitsforschung. Konstitutives Merkmal der Ethnografie ist das (teilnehmende) Forschen am ‚Ort des Geschehens‘, ebenjenen sogenannten Feldern. Frühpädagogische Felder wie Kindertageseinrichtungen werden in den entsprechenden Studien zunehmend aber nicht nur als Ort der Forschung, sondern zugleich als deren Gegenstand definiert (exemplarisch Göbel, 2018). Die von Neumann (2013) einst aufgeworfene Frage, „[w]enn ethnografische Forschung im Feld der Frühpädagogik beobachtet, macht sie es dann auch zum Gegenstand?“ (S.12; Herv. i. Orig.), behält jedoch ihre Relevanz. Denn ungeachtet einer Betrachtung des Feldes ‚Kindertageseinrichtung‘ als Gegenstand impliziert dies die weitergehende Frage: Inwiefern macht sie es dann auch zum Gegenstand?

Bailey (2020) folgend zeigt sich das Feld eng mit sozialen (z.B. durch Interaktionen) bzw. materiellen Praktiken (z.B. durch die Nutzung von Gegenständen) verwoben. Mit dem Entstehen von Praktiken im Feld als Ort gestaltet sich dieses zugleich und wird somit veränderlich hervorgebracht. Damit scheint ein Verständnis vom Feld als ausschließlicher Ort von Forschung also auch dann verkürzt, wenn ein scheinbar feldunabhängiges Gegenstandsinteresse vorausgesetzt wird. Vielmehr tritt das jeweilige Feld als Gegenstand immer schon dadurch in Erscheinung, da es eben nicht nur als Produzentin, sondern zugleich als Produkt sozialer bzw. materieller Praktiken verstanden werden kann. Fokussiert man auf die an den Praktiken beteiligten Akteur:innen, so muss explizit auch die Rolle von Forschenden in den Blick genommen werden – auch sie bewegen sich im Feld.

Vor diesem Hintergrund möchte der vorliegende Beitrag im Spezifischen für die Konstitution des Feldes Kindertageseinrichtung durch die (eigene) Rolle als Forscher:in sensibilisieren. Zwar hat Clifford Geertz bereits um 1970 im Rahmen der sogenannten Krise der ethnografischen Repräsentation auf die Involviertheit von Forschenden in der ethnografischen Wissensproduktion aufmerksam gemacht (Gottowik, 1997). Doch gleichwohl dies inzwischen als ethnografisches Selbstverständnis bezeichnet werden kann, beschreibt Anderson (2006) die anhaltende „tendency to downplay or obscure the researcher as a social actor in the settings or groups“ (p. 376). Anstelle dieses Herunterspielens und Verschleierns des Einflusses von Forschenden als Akteur:innen lässt sich vielmehr vergegenwärtigen, dass das von Forscher:innen hervorgebrachte Wissen „is situated by what they ‚see‘ in the field, which in turn is situated by what they ‚look‘ for and/or are given ‚access‘ to“ (Bailey, 2020, p. 734). Das Bewusstsein um ein durch Zugang und eigener Perspektive selektives Wissen gewinnt gerade auch dann an Bedeutung, wenn verschiedentlich Befremdungsstrategien in der Hinwendung zum ‚Eigenen‘ unter dem Aspekt einer Objektivierung diskutiert werden (exemplarisch Kuhn & Neumann, 2015). Damit verdichten sich die bisherigen Darlegungen in der für diesen Beitrag zentralen Frage: Inwiefern und mit welchen Implikationen sind Forschende als Akteur:innen in die Konstitution des Feldes involviert?

Was will das Projekt/ Was ist das Phänomen?

Entlang der thematischen Fokussierung des seit 2021 laufenden Dissertationsprojekts „Partizipation als un-bestimmtes Phänomen“[1] hat sich beim Forschenden eine zunehmende Sensibilisierung für das Thema von Involviertheit eingestellt. Zuvorderst ursächlich hierfür ist der inhaltliche Rekurs auf das um 1980 im Kontext der New Social Childhood Studies (NSCS)entstandene und bis heute wirkmächtige Paradigma von Kindern als kompetente Akteur:innen (Mierendorff, 2018). Dieses Paradigma verleiht sich im Rahmen frühpädagogischer Theorie und Praxis deutlich im Partizipationsbegriff Ausdruck und misst Involviertheit damit zentrale Bedeutung bei (König, 2021). Kritisch blickt das Dissertationsprojekt dabei auf eine entlang der NSCS aufgerufenen Heuristik, die als eine Art vereinfachter Denkansatz selbstreferenziell die romantisierende Vorstellung eines a priori kompetenten Kindes (re-)produziert. Durch eine derart vorgefasste Annahme kann übersehen werden, inwiefern und durch wen oder was die im Partizipationsbegriff verankerte Involviertheit als Akteur:in in situ hervorgebracht wird (Balzer & Huf, 2019). Weiterhin berücksichtigt werden empirische Befunde, die überdies bereits eine in Bezug auf Partizipation häufig vorzufindende Engführung auf formalisierte Verfahren wie Kinderparlamente oder Abstimmungsverfahren kritisieren (Höke, 2016;  Neumann et al., 2019). Somit wird insgesamt eine vorgefasste Fokussierung auf ‚das kompetente Kind‘ sowie ein vermeintliches Wissen über spezifische Partizipationskontexte kritisch hinterfragt. In diesem Zusammenhang verschreibt sich das Dissertationsprojekt der Forderung einer Dezentrierung des Kindes innerhalb der Kindheitsforschung (Spyrou, 2018) und perspektiviert dies auf der Grundlage posthumanistischer Theorieangebote des sogenannten Neuen Materialismus. Unter Rückgriff auf die wohl prominenteste Vertreterin des Neuen Materialismus, Karen Barad (2007), wird Partizipation demnach als zunächst unbestimmtes Phänomen verstanden, das erst im Rahmen sogenannter Intra-aktionen materiell-diskursiver Praktiken partielle Bestimmtheit erlangt. Im Gegensatz zur Interaktion sind Akteur:innen im Rahmen der Intra-Aktionen nicht prädeterminiert; wer oder was als Subjekt bzw. Objekt involviert wird, (re-)konstituiert sich also erst im Geschehen selbst (Garske, 2014). Hinsichtlich der Frage nach Akteur:innenschaft und Involviertheit wird damit einerseits eine anthropozentrische Ontologie, die den Menschen in den Mittelpunkt des Seins stellt und die Umwelt vernachlässigt, grundlegend in Frage gestellt. Anerkannt wird stattdessen eine Lebendigkeit der ‚Dinge‘ (Tesar & Arndt, 2016), die in der Verbindung mit Kindern, aber auch für sich genommen, einen Subjektstatus einnehmen können. Die sich darin widerspiegelnde posthumanistische[2] Grundannahme einer aktiven ‚Welt‘, bei der Grenzen zwischen humanen und nicht-humanen Entitäten wie Menschen und Dingen fluide erscheinen, hat andererseits relevante Konsequenzen auf die einleitend gestellte zentrale Frage, inwiefern und mit welchen Implikationen auch Forschende selbst als Akteur:innen in die Konstitution des Feldes involviert sind. Barad (2007) folgend können Forschende nicht als neutrale Instanz einer vermeintlich objektiv zugänglichen und außerhalbliegenden Welt verstanden werden. Im Gegenteil: sie sind selbst Teil der Welt, die sie beforschen und somit aktiv an der Hervorbringung dieser bzw. das ‚Wissen‘ über sie beteiligt. Ontologische Fragestellungen, die die Frage nach dem ‚Seienden‘ stellen, sowie epistemologische Fragestellungen, die sich mit dem Aspekt der diesbezüglichen Wissensproduktion befassen, sind in diesem Sinne untrennbar miteinander verwoben. Forschende sind dabei nicht nur gefordert, die Art und Weise, wie sie in die Wissensproduktion involviert sind, permanent zu reflektieren. Vielmehr geht es in diesem Verständnis um eine produktive Wendung, bei der die eigene Involviertheit ebenso einer analytischen Betrachtung unterliegt.

Wie bin ich vorgegangen?

Als methodologische[3] ‚Antwort‘ auf die zur Involviertheit skizzierten Implikationen wurde sich der sogenannten Analytischen (Auto)Ethnografie (AAE) nach Anderson (2006) angeschlossen. Die Umsetzung fordert die Berücksichtigung fünf sogenannter „key features“ (p. 378) ein: Grundvoraussetzung ist (1) die Akzeptanz, dass Forscher:innen selbst Teil des von ihnen beforschten Feldes sind. Eine Fokussierung auf die eigene Person sowie das übrige Geschehen ist daher im gesamten Forschungsprozess angezeigt. Beidem möglichst gerecht zu werden, kann aber nur dann gelingen, wenn (2) eine analytische Reflexivität eingenommen wird, vor deren Hintergrund die (eigenen) komplexen Verstrickungen im Beobachtungsprozess sowie die daraus resultierenden Forschungsdaten betrachtet werden. Ein solches Bewusstsein allein reicht allerdings nicht aus. Vielmehr bedarf es (3) einer Sichtbarkeit von Forschenden in den zugehörigen Dokumenten. Im Rahmen des Dissertationsprojektes werden daher auch Beobachtungen, die auf den Forschenden rekurrieren, in Form von Feldnotizen, dichten Beschreibungen sowie der Berichtlegung analytisch aufgenommen und expliziert. Entgegen einer Überbetonung der eigenen Person gilt dabei (4) der Anspruch, das Feld in seiner Gesamtheit nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn auch wenn Forschende involviert sind, sind sie eben nur ein Teil des Feldes. Eine (5) Verpflichtung zu einer analytischen Agenda soll schließlich sicherstellen, dass diese Balance auch vor dem Hintergrund der Forschungsfrage gewahrt bleibt und die so gewonnen Forschungsdaten zielorientiert analysiert werden können.

Zur konkreten Veranschaulichung dieser Perspektive wird exemplarisch eine kurze Beobachtungssequenz aus einer Kindertageseinrichtung präsentiert, die im Rahmen einer ersten Feldphase (August-Oktober 2022) in Anlehnung an Anderson (2006) qua teilnehmender Beobachtung erhoben sowie mit Blick auf die unter Punkt (5) benannte analytische Agenda im Zusammenspiel mit der konstruktivistischen Grounded Theory nach Charmaz (2014) analysiert wurde.

Was ist das Ergebnis?

Die nachfolgende Sequenz hat sich während einer Freispielphase im Außenbereich der Kindertageseinrichtung zugetragen. Der Forschende richtet seine Aufmerksamkeit auf sechs beieinanderstehende sowie ein leicht abseitsstehendes Kind und versucht, die Bedeutung der beobachteten Positionierungen der Kinder zu ergründen.

Ich denke darüber nach, dass mir Marius schon häufiger in einer eher abseitigen Position aufgefallen ist, wenngleich er sich immer wieder aktiv in etwaige (Gruppen)Geschehen einzubringen versucht. Ich spüre, dass diese Beobachtung eigene biografische Erlebnisse hervorruft und sich eine Art Solidarisierungsempfinden gegenüber Marius einstellt. Ich schaue Marius genauer an. Sein Blick ist in Richtung der anderen Kinder gerichtet, die einen Kreis bilden, der in Richtung Marius leicht geöffnet ist. Erst in diesem direkten Vergleich fällt mir auf, dass alle unmittelbar im Kreis befindlichen Kinder einen Stock in der Hand halten, während Marius selbst keinen Stock in der Hand hält.

Mit der gedanklichen Fokussierung auf die abseitige Position von Marius wird dieser nicht nur im lokalen Geschehen, sondern auch im analytischen Zugriff durch den Forschenden separiert von jeweils unterschiedlichen Kindergruppen verortet. Dies kann insofern als eine zweifache Exklusivität beschrieben werden, als sich hier einerseits eine Ausgrenzung von Marius gegenüber den „anderen Kinder[n]“ manifestiert, Marius jedoch andererseits zugleich eine besondere Aufmerksamkeit des Forschenden zu Teil wird. Der Ursprung dieser Aufmerksamkeit hängt augenscheinlich mit der retrospektiven Einordnung der Kind(er)positionierungen zusammen. Dass der Forschende die gegenüber anderen Kindern separierte Positionierung von Marius bereits „häufiger“ wahrgenommen hat, verweist dabei auf ein iteratives, also sich wiederholendes Geschehen, das sich unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen auch dann einzustellen scheint, wenn Marius sich aktiv gegen die separierende Positionierung wendet und um Partizipation bemüht. Die dichte Beschreibung offenbart, dass der Forschende die Beobachtungen um Marius mit eigenen biografischen Erlebnissen verknüpft. Zwar werden die Evokationen im Sinne eines bewussten Hervorrufens von Erinnerungen mit Ausnahme des Solidarisierungsaspektes nicht weiter expliziert, doch lässt allein ihr bewusstes Aufkommen und die nachhaltige Materialisierung im Rahmen der dichten Beschreibung eine besondere Bedeutung des Geschehens für den Forschenden annehmen. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus plausibel, dass die Aufmerksamkeit für die Positionierung von Marius und den mithin involvierten Kindern in dieser sowie in den erinnerten Situationen ursprünglich nicht allein in den Beobachtungen vor Ort liegt. Weitergehend scheint sie auch in der spezifischen Biografie des Forschenden begründet zu sein. Die einleitend benannte Konstitution des Feldes kann demnach nicht nur allgemein mit der Involviertheit des Forschenden in situ gefasst werden. Konkreter erweitert sich das Feld in seiner vermeintlich räumlich-zeitlichen Begrenzung auf die (Beobachtung in der) Kita um die (zurückliegende) Lebenswelt des Forschenden. Gegenstandsbezogen führt die daraus resultierende Aufmerksamkeit für das Geschehen schließlich zu einer konzentrierten und vergleichenden Betrachtung der beschriebenen Kind(er)positionierungen. Bei dieser rückt über die Kinder hinaus auch ein Besitz von Stöcken in den Fokus. Die dadurch wahrgenommenen materiellen Bezugnahmen, ließen sich sich im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes immer wieder beobachten. Mit Blick auf das Forschungsinteresse konnten sie schließlich zu der vorläufigen Kategorie einer „Partizipation durch (nicht-)humane Verschränkungen“ verdichtet werden.

Was kann das für die Praxis bedeuten?

Mit der AAE wurde sich um die von Anderson (2006) postulierte Anerkennung von Forschenden als involvierte Akteur:innen in der Konstitution des Feldes bemüht. Die exemplarisch dargestellte biografisch begründete Fokussierung des Forschenden veranschaulicht, dass das, was wir beobachten, eng mit der betrachtenden Person in Verbindung steht (Bailey, 2020). Allgemeiner formuliert lässt sich somit nicht nur für die Forschung, sondern auch für die pädagogische Praxis bzw. die in ihr tätigen Fachkräfte für eine reflexive Anerkennung der eigenen Involviertheit plädieren. Am dargestellten Beispiel kann zwar kritisch angemerkt werden, dass die Beobachtung um die Stöcke und die damit thematisierte Dezentrierung des Kindes (Spyrou, 2018) im Sinne einer „Partizipation durch (nicht-)humane Verschränkungen“ etwaig auch ohne eine Auseinandersetzung mit der Fokussierung auf die eigene Person entstanden wäre. Doch gerade diese Auseinandersetzung hält Antworten auf weitergehende Fragen zum eingangs aufgerufenen Aspekt, inwiefern und mit welchen Implikationen Forschende als Akteur:innen das Feld konstituieren, bereit: Wen oder was (und warum) nehme ich insbesondere wahr? Wer oder was (und warum) gerät weniger bzw. gar nicht in meinen Blick? Welche Perspektivveränderungen kann ich vornehmen und zulassen? Kurzum: Es geht um ebenjene produktive Wendung einer immer schon subjektiven Involviertheit als (forschende:r) Akteur:in in die Konstitution des Feldes.

Zwei abschließende Gedanken zu Limitationen und Weiterentwicklung:

  • Auch wenn sich in der geforderten Reflexivität der AAE gerade nicht der Anspruch einer vermeintlichen Objektivierung ausdrückt, wird Reflexivität nicht selten damit verbunden. Dies aufgreifend schlägt Barad (2007) stattdessen den Begriff der Diffraktion vor und konzeptualisiert ihn im Sinne der AAE als eine bewusste Anerkennung der jeweils unterschiedlichen Involviertheit. So gewendet wird das Ziel einer Authentizität – statt Objektivität – des Wissens über die pädagogische Praxis ggf. unmissverständlicher zum Ausdruck gebracht.
  • Trotz aller Reflexion/ Diffraktion werden blinde Flecken verbleiben. Die kurze Sequenz zeigt, dass dies auch dann gelten kann, wenn die eigene Involviertheit (an)erkannt wird. So hat der Forschende nur andeutungsweise auf eigene Ausgrenzungserfahrungen rekurriert. Die fehlende Explikation verweist auf die herausfordernde Frage, was Forschende selbst von sich preisgeben wollen. Relativierend hat das Beispiel jedoch gezeigt, dass sich der produktive Einfluss bereits bei einer geringen Preisgabe ergeben kann.

Relevant erscheint vor diesem Hintergrund vor allem eine Haltung, bei der die eigene subjektive Involviertheit überhaupt anerkannt und ernstgenommen wird.

Literatur

Anderson, L. (2006). Analytic Autoethnography. Journal of Contemporary Ethnography, 35 (4), 373-395. https://doi.org/10.1177/0891241605280449

Bailey, S. (2020). Ethnography. In D. Cook (Hrsg.), The sage encyclopedia of children and      childhood studies (S. 734-735). London: SAGE Publications.

Balzer, N., Huf, C. (2019). Kindheitsforschung und ›Neuer Materialismus‹. In J. Drerup & G.     Schweiger (Hrsg.), Handbuch Philosophie der Kindheit (S. 50-58). Stuttgart: J.B. Metzler.

Barad, K. (2007). Meeting the Universe Halfway: Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning. Durham: Duke University Press.

Charmaz, K. (2014). Constructing Grounded Theory. London: Sage.

Garske, P. (2014). What’s the „matter“? Der Materialitätsbegriff des „New Materialism“ und dessen Konsequenzen für feministisch-politische Handlungsfähigkeit. Prokla 44 (174). https://www.prokla.de/index.php/PROKLA/issue/view/17

Göbel, S. (2018). Alltagspraktiken in Kindertageseinrichtungen. Wiesbaden: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22916-0

Gottowick, V. (1997). Konstruktionen des Anderen. Clifford Geertz und die Krise der ethnographischen Repräsentation. Berlin: Dietrich Reimer.

Höke, J. (2016). Als Gruppensprecher muss man schwindelfrei sein. Kinderperspektiven auf formale Partizipationsstrukturen in der Kita. ZSE Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 36 (3), 298-313.

König, A. (2021). Kinderrechte. Historische Ansatzpunkte und aktuelle Diskurse. Eine pädagogische Reflexion. In Pestalozzi-Fröbel-Verband (Hrsg.), Wir haben Rechte! Ein Blick auf Kinderrechte, Partizipation und Demokratie in der Kita (S. 9-15). Weimar: Verlag das Netz.

Kuhn, M., Neumann, S. (2015). Verstehen und Befremden. Objektivierungen des ‚Anderen‘ in     der ethnographischen Forschung. ZQF (1), 25-42.                https://doi.org/10.3224/zqf.v16i1.22852

Mierendorff, J. (2018). Kindheitsforschung. In K. Böllert (Hrsg.), Kompendium Kinder- und      Jugendhilfe (S. 1453–1475). Springer Fachmedien Wiesbaden.

Neumann, S. (2013). Unter Beobachtung. Ethnografische Forschung im frühpädagogischen    Feld. ZSE – Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 33 (1), 10-25.

Neumann, S., Kuhn, M., Hekel, N., Brandenberg, K. & Tinguely, L. (2019). Der institutionelle Sinn der Partizipation. Befunde einer ethnografischen Studie in schweizerischen Kindertageseinrichtungen. In A. Sieber Egger, G. Unterweger, M. Jäger, M. Kuhn & J. Hangartner (Hrsg.), Kindheit(en) in formalen, nonformalen und informellen Bildungskontexten. Ethnografische Beiträge aus der Schweiz (S. 321-342). Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23238-2_16

Spyrou, S. (2018). Disclosing Childhoods. Research and Knowledge Production for a            Critical            Childhood Studies. London: Palgrave Macmillan.

Tesar, M. & Arndt, S. (2016). Vibrancy of Childhood Things. Cultural Studies ↔ Critical             Methodologies, 16(2), 193-200. https://doi.org/10.1177/1532708616636144


[1] Vollständiger Titel des Dissertationsprojekt: „Partizipation als un-bestimmtes Phänomen“ –(Auto)Ethnografische Befunde zur Re-Konstitution von Akteur:innenschaft durch materiell-diskursive Intra-aktionen“

[2] Posthumanistische Perspektiven bemühen sich um eine Überwindung traditioneller Vorstellungen von Menschlichkeit und sensibilisieren für eine Fluidität vermeintlicher Grenzen zwischen menschlichen und nicht menschlichen Elementen.

[3] Der Begriff Methodologie bezieht sich auf die systematische Vorgehensweise und die Grundsätze, die bei der Durchführung von wissenschaftlichen oder analytischen Untersuchungen verwendet werden.